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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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Armen und Beinen zurück, und ich spüre, wie ich schwächle.
    Ich flüstere: »Vielleicht wäre es gut, mich ins Krankenhaus in die Notaufnahme zu bringen.«

9
    Okay, Leute. Ich sage es am besten gleich: Ich kann nicht mehr laufen. Sobald ich mit meinem Teppich-Fuß auftrete, drückt sich der hart gewordene Plastikfaserklumpen in meine angebrannte Fußsohle. Und es ist ja wohl sonnenklar, dass das so was von wehtut.
    Ich humple aus Alinas Zimmer, raus in den dämmrigen Flur. Durch das Dachfenster kommt etwas Licht rein. In der Ecke darunter steht die Heimorgel von Alinas Vater. Neulich hat er uns mal was darauf vorgespielt. Das war echt irre. Ich musste mich ziemlich zusammenreißen, um ihn glauben zu machen, dass er ein Meister an der Orgel ist. Unter sein Geklimper hat er noch so einen fetzigen Disco-Beat gelegt und mit seinem Oberkörper voll rumgegroovt. Das war eine echte Herausforderung, nicht voll loszulachen. Alina und ich haben unsere Lippen fest zusammengepresst und das Daumenzeichen gemacht. Von wegen, ganz toll!
    Oben am Treppenabsatz bleiben Alina und ich nebeneinander stehen und lauschen. Ihrer Mutter wollen wir nicht noch mal begegnen. Die hat bei mir so was von verschissen, und leider werde ich ihr das, entgegen meiner Erziehung, knallhart zeigen müssen, indem ich ihr definitiv und demonstrativ nicht »Auf Wiedersehen« sage. Ich kann es nicht dulden, wenn Menschen körperliche
Gewalt anwenden. Da hört es bei mir einfach auf. Da ist das Ende der Fahnenstange erreicht, wie mein Gemeinschaftskundelehrer Herr Augustin gerne mal sagt. Nur diese piefige Blasmusik ist zu hören.
    Ich sage zu Alina: »Du musst mich nicht zur Tür bringen, wenn du lieber hier oben bleiben willst.«
    Und sie: »Okay, am liebsten würde ich mit euch kommen.«
    »Äh, erlaubt das deine Mutter?«
    »Ist doch egal. Ich muss ja nicht fragen.«
    Alina guckt mich bockig an, und ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist, einfach abzuhauen. Wir wissen ja, dass Alinas Mutter recht empfindlich reagiert. Sowieso ist sie eine ziemlich besorgte Mutter, die ständig wissen will, wo Alina ist. Dauernd muss Alina von unterwegs aus anrufen. Im Grunde genommen könnten Alinas Eltern ihre Tochter eigentlich gleich mit einem Peilsender oder einer Fußfessel versehen. Ist doch wahr. Die lebt in der totalen Gefangenschaft und Kontrolle. Da müssen wir ihre Eltern ja nicht auch noch reizen, indem Alina ungefragt abhaut - wobei ich es natürlich verstehen würde.
    Also sage ich: »Von mir aus kannst du gern mitkommen, aber sag es deiner Mutter. Sonst dreht sie noch richtig durch. Wer weiß, wozu die fähig ist …«
    Alina zuckt mit den Schultern, wobei ihre hochgesprayten Haare wippen. »Ich kann ihr ja einen Zettel hinlegen.«
    »Na gut, aber mach schnell. Ich will nicht, dass Helmuth klingelt und mit deiner Mutter ins Gespräch kommt.«
    Alina flitzt in ihr Zimmer zurück und ich steige mit
schmerzverzerrtem Gesicht die Treppe runter und humpele schnell zur Haustür raus, den schmalen Vorgartenweg runter. Da kommt auch schon Helmuth in seinem schicken weißen Mercedes angebrettert. Komischerweise ist er alleine unterwegs, das heißt, meine Schwester sitzt gar nicht neben ihm auf dem Beifahrersitz. Sehr merkwürdig.
    Ich schreite durch die quietschende Jägerzaunpforte und Helmuth springt aus dem Wagen. »Mensch, Mensch, Mensch, Mädel, was machst du denn für Sachen? Wie konnte denn das passieren?«
    Ich mache so eine wegwerfende Handbewegung und linse unauffällig rüber zum großen Wohnzimmerfenster von Alinas Eltern, um zu checken, ob Helmuth und ich von Alinas Mutter und den Yorkshire-Terriern durch die Blätter der aufgestellten Topfpflanzen beobachtet werden. »Frag nicht, Helmuth. Alinas Mutter ist ohne anzuklopfen in Alinas Zimmer gestürmt, Alina hat mir im Reflex ihre brennende Zigarette auf den Schoß geworfen, ich habe sie schnell runter auf den Boden geschubst und da hat der Teppich auch schon Feuer gefangen. Um Schlimmeres zu verhindern, habe ich den Brand mit meinem Fuß gelöscht.«
    Helmuth nickt erschüttert. »Sehr gut gemacht, aber warum bewirft dich Alina mit brennenden Zigaretten? Ihr sollt doch gar nicht rauchen.«
    »Sagte ich doch bereits: weil ihre Mutter unangekündigt reingekommen ist, um zu überprüfen, ob wir auch wirklich brav unser Chemiereferat anfertigen.«
    Helmuth atmet verstehend ein und er hat wie immer seinen weißen Tennisdress an. Weiße Trainingshose,
weiße Trainingsjacke, Schweißbänder an den

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