Leute, die Liebe schockt
Artur-Schrägstrich-Johannes-Problematik neu anzufachen, trägt Mama ein Tablett mit Tee in den Garten raus und meint mit vorwurfsvollem Unterton: »Ich dachte, die Sache mit Johannes hättest du jetzt mal beendet.«
Ich meine, haben hier alle Leute einen an der Waffel? Muss man denen einzeln erklären, dass bestimmte Themen besser nicht im Garten unter freiem Himmel angeschnitten werden sollten? Ganz offenbar. Also erkläre ich knapp: »Habe ich ja auch.«
Aber irgendwie kann Mama das Thema trotzdem nicht fallen lassen. »Und warum triffst du dich dann noch mit ihm?«
»Weil er mir die Backstagekarten für das Konzert heute Abend besorgt hat.«
»Konntest du dir die nicht anderswo besorgen? Ich weiß doch jetzt schon, dass die Geschichte dann wieder von vorne losgeht und du nicht weißt, was du machen
sollst. Deine schulischen Leistungen werden erheblich darunter leiden. Was habe ich nur bei der Erziehung meiner Töchter falsch gemacht? Lernt ihr nie dazu? Müsst ihr euch immer wieder in die gleichen auswegslosen Situationen bringen? Das geht nach hinten los, Elisabeth.«
Es bringt nichts. Die ganze Zeit lege ich meinen Finger auf die Lippen und weise ohne Unterlass nach drüben zum Nachbargarten.
Aber Mama interessiert das gar nicht. Sie meint: »Wieso könnt ihr nicht endlich die Männer in Ruhe lassen? Als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt als diese Typen.«
Helmuth guckt komisch von Cotsch zu Mama und zurück.
Und Cotsch meint: »Entschuldige Mama, willst du damit sagen, dass du dich nicht auf dein Enkelkind freust? Willst du das damit sagen?«
Jetzt guckt Mama komisch. »Wie kommst du denn darauf? Das habe ich doch gar nicht gesagt. Davon war gar nicht die Rede.«
Gleich werden Mamas Lippen vor Anstrengung schmal wie zwei Striche. Sehr gut, endlich geht die Konzentration weg von Johannes und mir hin zum nächsten Missverständnis. Cotsch hört echt konsequent das heraus, was sie heraushören will. Eigentlich ist es fast egal, was Mama von sich gibt, Cotsch wertet alles als Angriff gegen sich und ihre Lebensführung. Psychologisch ist das hochinteressant.
Mama schüttelt widerwillig den Kopf und flüstert noch mal: »Davon war gar nicht die Rede.«
Und als sei die Situation nicht schon verworren genug, kommt Papa auch noch von der Arbeit, direkt durch die
Gartentür, und ruft für uns und alle Nachbarn gut hörbar: »Schöne Grüße von Johannes, den habe ich gerade an der Tankstelle getroffen. Er meint, er trifft sich gleich mit dir, Lelle.«
Jetzt brauche ich aber echt eine Zigarette.
Meine Schwester quetscht sich an mir und dem Tisch vorbei auf die Gartenbank zu und streicht über ihren Bauch. Mit kühlem Tonfall meint sie: »Nun ja, Mama. Wenn du sagst, dass es Wichtigeres gäbe als Männer, heißt das im Umkehrschluss, dass du Kinder überflüssig findest. Schließlich sind Männer notwendig, um Kinder zu zeugen.«
Meine Schwester ist eine Meisterin der Beweisführung, so viel ist mal klar. Sie guckt streng und Mama gießt angespannt den Tee in die Teeschalen.
Papa gibt mir einen Kuss auf die Stirn, wie immer ist er außer Atem. Papa ist immer außer Atem, obwohl er mit dem Auto von der Arbeit gekommen ist. Irgendwie nimmt ihn das Leben mit. Außerdem findet er es spannend, dass ihn junge Leute an der Tankstelle erkennen. Dann fühlt er sich plötzlich angesagt oder so. Er klopft mir auf den Rücken und meint: »Johannes und ich haben uns richtig nett unterhalten. Der Junge hat gute Ansichten. Gefällt mir.«
Ich nicke und entscheide mich, jetzt ganz den Fatalismus walten zu lassen. Das Schicksal soll entscheiden, ob Arthur was mitbekommen hat oder nicht. Ich meine, es würde an ein Wunder grenzen, wenn nicht.
Papa nickt Cotsch, Helmuth und Mama zu und verschwindet im Haus. »Ich muss runter an meine Skulptur.«
Mamas Augen werden mit einem Mal ganz rot. Und
Helmuth zieht sich stumm einen Stuhl heran und weiß nicht, wie viel Abstand er gerade zu seiner zukünftigen Frau, meiner Schwester, halten sollte. Er hat schließlich die Erfahrung gemacht, dass es in bestimmten Momenten klug ist, ihr besser nicht auf die Pelle zu rücken, um sie nicht unnötig zu reizen.
Er räuspert sich und meint: »Nun, es ist doch schön, wenn man eine funktionierende Partnerschaft führt.«
Meine Mutter stellt die Teekanne ab. »Dagegen sagt ja auch keiner was. Lelle sollte nur aufhören, den Jungs hinterherzulaufen.«
Jetzt reicht es mir aber! »Das mache ich doch gar nicht. Ich hole nur die
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