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Leute, die Liebe schockt

Titel: Leute, die Liebe schockt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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abzudampfen. Ich meine, zu welcher Gelegenheit sollte ich ihm sonst noch mal begegnen? Immerhin habe ich gerade den Vorwand mit den Karten. Ich rufe ihn einfach noch mal an. Wieder die verdammte Mailbox. Scheiße, was soll der Kack?
    Ich gehe quer über die Brache, und meine neuen Chucks sind schon nach drei Schritten total verstaubt, sodass nichts mehr von dem Fotoprint zu sehen ist außer ein bisschen Rot von den Flammen. Die Jeans und das T-Shirt kleben mir feucht am Körper. Zugegebenerma ßen ist dieses Unterfangen ziemlich unvernünftig, wenn nicht sogar leichtsinnig. Ich meine, es könnte gleich ein komischer Typ mit gestörter Psyche angerannt kommen und mich hier ungesehen und unbehelligt missbrauchen. Soll ich mal nach Johannes oder Samuel rufen? Vielleicht hören die mich ja. Lieber nicht. Hinterher kommt so ein bissiger Köter hinter der nächsten Ecke hervorgeprescht und beißt mich in die Hüfte. Alles schon erlebt, na ja, also zumindest in der Fantasie.
    Vorsichtig gehe ich Schritt für Schritt Richtung Baracke und behalte alles genau im Blick. Die Sonne blendet, sodass ich ununterbrochen zwinkern muss und sich meine Pupillen zu winzigen Kügelchen zusammenziehen, was wiederum zur Folge hat, dass ich kaum noch etwas sehe. Eigentlich nur noch Schatten und Umrisse. Hochinteressant. Wahrscheinlich erblicke ich gleich auch noch eine Fata Morgana. Die Luft flimmert zwischen den Baracken, mir ist heiß, ich habe Kopfschmerzen, und ich freue mich schon darauf, wenn diese Suche ein Ende hat.
    Bei Johannes geht wieder nur die Mailbox ran. Ich
könnte direkt losheulen. Ich weiß jetzt schon, dass ich meine Haut wegschmeißen kann. So einen schlimmen Sonnenbrand hatte ich schon mal, als meine Familie und ich vor zehn Jahren Tretboot gefahren sind. Da hatte Mama mich vorher auch nicht eingecremt, obwohl ich kurze Hosen anhatte. Und danach waren meine Oberschenkel so schlimm verbrannt, dass ich Fieber bekommen habe. Genau wie meine Schwester Cotsch, nachdem sie sich einmal heimlich vor Omas alte Höhensonne gesetzt hat, die man normalerweise nur benutzt, wenn man Nasennebenhöhlenentzündung hat. Cotsch dachte aber, das sei ein Gesichtssolarium. Nach einer Stunde war ihr Gesicht so aufgequollen wie eine Wassermelone und sie musste in die Notaufnahme.
    Todesmutig drücke ich die Stahltür zur ersten Baracke auf. Sie quietscht in den Angeln und irgendwas rieselt mir von oben in den Nacken. Ich beiße die Zähne fest zusammen und sage mir, es gibt Schlimmeres. Mir will nur gerade nicht einfallen, was das sein könnte. Drinnen ist nichts. Nur ein dämmriger Raum mit Sandfußboden und irgendwelche Planen, die als staubige Knäuel in den Ecken liegen. Die Fenster wurden provisorisch mit Holzlatten zugenagelt. Ich habe wirklich ein ganz mulmiges Gefühl. Vielleicht hat Johannes mich hier auch nur hergelockt, um sich an mir zu rächen, weil ich ihn damals wegen Arthur abserviert habe. Kann doch sein, dass er nur darauf gewartet hat, es mir heimzuzahlen. Solche Menschen gibt es, die dringend eine Genugtuung brauchen, um mit der schmerzlichen Vergangenheit abschlie ßen zu können.
    Über mir flattert etwas dicht vorbei. Ich ducke mich.
Mein Herz rutscht in die Hose. »Mama!« Die Taube landet vor mir im Sand und spaziert herum, als sei das ihr Zuhause. Leute, ich will nach Hause.
    Ich gehe wieder raus in die gleißende Nachmittagssonne, um die Baracke herum und schiebe die nächste quietschende Blechtür auf. Das ist ja hier wie im Albtraum. Gerade habe ich das Gefühl, ich war schon mal auf diesem Gelände. In einem schlimmen Traum. Wirklich! Ich gebe zu, das klingt seltsam, aber irgendwas war da mit einem Minirock, den ich anhatte, und das fand meine Schwester gar nicht lustig, weil es ihrer war. In jedem Fall kommt mir gerade alles so unwirklich vor. So als hätte ich hier schon einmal mit meiner Schwester gelebt oder so. Die Sache ging damals nicht gut aus, daran erinnere ich mich jetzt wieder.
    Ich schlucke.
    In der zweiten Baracke ist auch nichts los. Nur ein Haufen verklebter Farbeimer und eine kaputte Leiter stehen herum. Und es riecht irgendwie nach Lösungsmitteln. Gerade als ich wieder rückwärts über die Schwelle nach draußen will, fassen zwei Hände um meine nackten Oberarme.
    »Hab ich dich!«
    Lieber Gott! Ich bin geliefert!
    »Hilfe!«
    Ich reiße meine Arme weg, bereit, um mein Leben zu rennen.
    »He, Elsbeth, was ist los?«
    Leute, es ist Johannes, mit verspiegelter Sonnenbrille und hellblonden Haaren.

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