Leute, die Liebe schockt
gut? Und schon stürzt sich Samuel mit einem Brunstlaut auf seinen brutal aussehenden Gegner mit der einge ölten Haut, den Goldzähnen und den mehrfach umklebten Boxhandschuhen. Im nächsten Augenblick wälzen sich die beiden blindwütig auf dem Boden herum, als
gäbe es kein Morgen. Die anwesenden Männer gehen näher an den Boxring ran und fiebern voll mit und feuern ihren Favoriten an. Das ist ein Lärm hier! Das nenne ich ein bewegtes Leben. Die beiden Kämpfer besorgen es sich richtig. Nach allen Regeln der Kunst. Da bleibt kein Auge trocken. Und ich bin dabei.
Johannes legt den Arm um mich, zum Zeichen für die Umstehenden, dass wir zusammengehören. Er wispert: »Wirklich schön, dass du gekommen bist. Ich dachte schon, du hast meine SMS nicht gelesen, weil du nicht geantwortet hast.«
Ich nicke und sage: »Ja, ich wäre auch fast nicht gekommen.«
Jetzt guckt er mich mit großen Augen an. »Was? Katastrophe! Warum das denn nicht?«
»Weil ich mich nicht rumkommandieren lasse.«
»Habe ich das?«
»Na ja, du hast nicht gefragt, ob mir das recht ist, herzufahren. Außerdem war ich, wie bereits erwähnt, schon in der andere Richtung unterwegs …«
»Tut mir leid. Sorry, sorry, sorry!«
Ich hebe die Hand. »Schon gut. Ich wollte es nur gesagt haben.«
Johannes zieht mich an sich und drückt mir einen Kuss auf die Stirn. Dann lächelt er mich plötzlich unglaublich verliebt an und küsst mich ganz zart auf die Lippen. Wow! Das fühlt total flatterig an. Ich denke, er hat definitiv keine Freundin.
Wie zur Bestätigung flüstert er in mein Ohr: »Schön, dass wir so ehrlich zueinander sind.«
Ja, Leute, das finde ich auch. Es fühlt sich gut an, für
sich einzustehen und seine Bedürfnisse klar und friedvoll zu formulieren. Besonders gut geht das, wenn man mehrere harte, tätowierte Typen im Rücken hat, die alle gerne wissen wollen, wer das zarte, geheimnisvolle Mädchen in enger Jeans, Chucks und T-Shirt ist, das selbstbewusst auf der Bierbank sitzt. »Man kann seine Rolle als Frau nur üben, wenn man sich in die Gesellschaft von Männern begibt«, so lautet das Lebensmotto meiner Schwester. Und ich glaube, sie hat total recht damit. Obwohl Mama bis heute versucht, uns das Gegenteil einzureden: »Sucht euch lieber eine nette Freundin, Mädchen. Die bleiben euch wenigstens treu.«
Ja, genau wie Rita. Die lutscht Mama aus wie ein Vampir. Und Mama lässt sich das gefallen, weil Rita ihr ständig vorlügt, wie sehr sie Mamas Freundschaft schätzt und braucht. Genauso sind Ritas Töchter. Die wollen auch immer was umsonst haben. Einmal hat Alice sogar versucht, mir Johannes auszuspannen. Das muss man sich mal vorstellen! Vor meiner Nase hat sie ihm ihre Telefonnummer aufs Auge gedrückt und gemeint: »Melde dich doch mal bei mir.« Anstatt sich selber einen Freund zu suchen, nimmt sie einfach den Jungen, der ihr von mir vorgestellt wird. Leute, nicht mit mir. In der Liebe und der Freundschaft gibt es ja wohl ein paar Regeln und Gesetze des würdevollen und respektvollen Umgangs.
Und schon bin ich wieder mit meinen Gedanken bei Arthur, und ich registriere, dass ich ein echtes Problem habe: Wenn Johannes keine Freundin hat, dann ist er frei für mich. Und dann bin ich nun endgültig an dem Punkt angekommen, vor dem ich mich die ganze Zeit gefürchtet habe: Ich muss mich entscheiden. Zwischen zwei
Jungs, die ich liebe, um die paar Regeln und Gesetze in der Liebe einzuhalten. Und wie ich tapfer und mit zusammengepressten Lippen versuche, den Schmerz meiner verbrannten Haut nicht mehr zu spüren, als mir Johannes zärtlich und immer wieder über den Unterarm streicht, kreischt dafür Samuel auf.
»Du hast mir meinen Arm abgebrochen!«
Mit schockiertem Gesichtsausdruck krabbelt sein Gegner eilig von ihm runter, spuckt seinen Mundschutz aus und hebt entschuldigend die Hände. »Was hat er denn?«
Unter unterdrücktem Schmerzengeschrei rappelt sich Samuel nun auch auf und irgendwas, liebe Leute, ist definitiv mit seinem Arm nicht in Ordnung.
12
Leute, ich will nicht noch mal mit dem Thema anfangen; aber ich habe einen Sonnenbrand. So einen starken habt ihr noch nicht gesehen. An meinen Armen, vorne auf der Brust, im Nacken und im Gesicht pellt sich die Haut. Wie eine halb verweste ausgewickelte Mumie sehe ich aus. Ich hocke oben im Badezimmer auf dem Badewannenrand und Mama schmiert mich großzügig mit Brandsalbe ein.
Sie schüttelt besorgt den Kopf. »Ja, hast du denn nicht gemerkt, dass deine Haut
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