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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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Schwester sich den auch noch zur Brust nimmt. Ich könnte kotzen. Hauptsache, er verliebt sich nicht in sie! Stellt euch das mal vor! Dann würde der hier plötzlich tagaus, tagein bei uns zu Hause rumlaufen und meine Schwester im Nebenzimmer nageln. Und zum Schluss würde er, genau wie der arme Helmuth, vollkommen lost vor meinem Fenster herumhumpeln, in der Hoffnung, meine Schwester zurückzugewinnen. Leute! Das wäre der ultimative Albtraum.
    Ich muss lernen, meine Gedanken zu kontrollieren, um mich nicht selbst zu quälen. Also unterdrücke ich meine negative Fantasie und konzentriere mich jetzt ausschließlich darauf, was ich in diesem Augenblick tue. Ich ziehe die oberste Schublade von Cotschs Schreibtisch auf, um mir ein paar CDs rauszuholen. Da liegen aber auch noch viele Briefe und Fotos drin. Ich nehme einen Stapel hoch und gucke mir die Bilder an. Es sind die von ihrem Schüleraustausch in Holland vor zwei Jahren: meine Schwester inmitten einer Horde blendend aussehender Holländer mit roten Wangen. Diese Fotos betrachte ich überaus gerne, weil ich lange Zeit in den einen von den Typen verliebt war. Vincent heißt er. Es ist der mit dem schwarzen, lockigen Haar, dem meine Schwester gerade einen Kuss auf den Mund drückt. Ich finde, er sieht aus wie Tarzan. Wirklich. Ich habe nie mit ihm geredet. Weil ich ihn eben nur von den Fotos her kenne. Das ist natürlich schade, weil ich denke, dass aus uns bestimmt etwas hätte werden können. Genau wie aus Johannes und mir. Hoffentlich sehe ich wenigstens ihn wieder. Der weiß ja nicht mal, dass ich mit Tessi befreundet bin. Sonst könnte er sie auf dem Pausenhof nach meiner Nummer fragen. Johannes weiß ja gar nichts über mich. So ein Scheiß! Es wird echt Zeit, dass ich berühmt werde. Dann könnte er mich googeln.
    Ohne sie mir heute ausführlich anzusehen, lege ich die Fotos von Cotsch und ihren Klassenfahrtjungs wieder in die Schublade zurück und versuche, mir Johannes’ Gesicht ins Gedächtnis zu rufen. Aber ich sehe nur so ein diffuses Lächeln vor mir. Das ging gestern alles so schnell. Dafür habe ich jetzt wieder Cotschs mondäne Stimme im Ohr: »Und? Hast du eine Freundin?« Meine Schwester geht komplett davon aus, dass jeder was von ihr will. Das ist schon verrückt. Ich meine, die Erfahrung zeigt, dass sie recht hat. Nur Johannes schien irgendwie nicht zu wollen. Jedenfalls machte er nicht den Eindruck. Zum Abschied habe ich gesagt: »Danke für alles, François.« Ich muss grinsen. Echt genial, dass mir dieser coole Spruch eingefallen ist. »Danke für alles, François.«
    Ich schiebe Cotschs Schreibtischschublade zu und stiere so ein bisschen aus dem Fenster. Dabei kann ich am besten nachdenken. Ich glotze rüber zum gegenüberliegenden Haus aus weißem Backstein. In der Siedlung sind alle Häuser aus weißem Backstein. Das war wohl mal Mode. Hinter der Glasscheibe zappeln die beiden Nachbarsmädchen an den Händen ihrer Mutter vorbei und quäken rum. Die haben echt noch viel vor sich. Das kann man sagen. Die haben noch keine Ahnung davon, wie hart das Leben sein kann. Ich schon. Ich meine, im Nachhinein bin ich echt froh, dass Johannes im Vorfeld schon diese Dämlichkeit mit dem Zigaretteessen begangen hatte, sonst wäre mir mein rückwärtiger Sturz in die Sträucher so was von unangenehm. Aber so herrscht Gleichstand zwischen uns, und darum finde ich, wir passen ganz wunderbar zusammen. Johannes ist genau wie ich: ein spezieller Typ, der das Leben spüren will. Er will alles ausprobieren - sogar, wie es ist, Zigaretten zu essen. Das hat doch was. Außerdem spielt er Keyboard in einer Band und ist schon zweimal sitzen geblieben.
    Als ich genug nachgedacht habe, stehe ich von Cotschs Schreibtischstuhl auf, tapse in den stillen Flur hinaus. Bis in den Garten hinunter kann ich sehen. Draußen scheint die Sonne, die blätterbepackten Äste der Akazie wiegen sich sacht im Wind, dahinter steht der Schuppen aus weißem Backstein. Ich steige die kleine Flurtreppe hinunter und verschwinde ins Bad. Obwohl ich alleine zu Hause bin, schließe ich die Tür ab. Das mache ich immer so. Falls Einbrecher kommen. Mir wäre es ziemlich unangenehm, wenn die ins Klo reingeplatzt kämen, während ich gerade Pipi mache. Ist doch wohl klar. Ich stehe vor dem Spiegel und ziehe mein T-Shirt hoch. Ich will prüfen, wie gut man meine Rippen sehen kann. Sehr gut. Beängstigend gut. Ich lasse mein T-Shirt wieder runter und angle mit dem Fuß die Personenwaage unter dem

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