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Leute, ich fuehle mich leicht

Titel: Leute, ich fuehle mich leicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig von Lange
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dem Staubsauger. Der steht im Putzschrank in der Küche, wo Papa sich jetzt in Mamas trauriger Gegenwart den Salat reinstopft. Papa stopft sich immer im Stehen den Salat rein. Das kann er gar nicht anders, obwohl er ständig von »Tischkultur« und »gutem Benehmen« faselt. Aber das gilt nicht für ihn. Er grapscht nach der Gabel, die neben der Schüssel liegt, beugt sich darüber und schaufelt los, als gäb’s kein Morgen. Mama steht stumm daneben und sieht zu, wie ihre stundenlange Schnipselarbeit innerhalb von drei Minuten in Papas Rachen verschwindet. Ich meine, Mama gibt sich echt viel Mühe mit dem Salat. Sie kocht Eier, röstet Brot, zerkleinert das Ganze, vermengt es mit Radieschenscheiben und Tomatenwürfeln und garniert das Werk mit einem Hauch von Schnittlauch. Ich werde, bevor ich über die Blutvergiftung recherchiere, in die Küche gehen und Mama zur Seite stehen. Wahrscheinlich streiten sich die beiden sowieso schon wieder, indem sie nicht miteinander reden. Ich glaube, von der Stimmung hier bekomme ich irgendwann noch mal was mit dem Magen.
    Ich stehe also mit meinen Eltern in der Küche herum und sehe gemeinsam mit Mama zu, wie Papa die letzten Salatblätter verschlingt. Er muss großen Hunger gehabt haben. Er stellt die Schüssel ab, wischt sich den Mund mit einer frisch gebügelten Serviette ab und rülpst. Das kennen wir schon von ihm. Er funktioniert wie ein Wiederkäuer, das heißt, er würgt das unzerkaute Essen wieder hoch und kaut es noch einmal etwas gründlicher. Dazu sagt er immer: »Ups.« Als sei er von diesem täglich wiederkehrenden Phänomen total überrascht. Mama und ich werfen uns heimlich Blicke zu.
    Dann legt Papa die Serviette hin und sagt: »Will jemand einen Schluck Wein?«
    Und gerade als ich sagen will, dass ich mitmache, klingelt mein Handy, und Johannes ist dran. Eigentlich will ich nicht vor meinen Eltern mit ihm telefonieren, aber wenn ich mit dem Handy erst in den Flur rausrenne, hat er vielleicht schon wieder aufgelegt. Ich gehe also ran.
    »Hallo?«
    Ich merke genau, wie Papa in seiner Bewegung innehält und mich kopfschüttelnd mustert. Er hat was gegen Handys. Er findet, junge Leute, wie ich einer bin, können auch das normale Telefon benutzen. Er findet, Handys sind rausgeschmissenes Geld. Was soll ich dazu sagen? Außer: »Jeder aus meiner Klasse hat ein Handy.« Ich drehe mich also so ein bisschen weg, hin zum Küchenfenstervorhang, in den ich mich früher gerne mit meiner Schwester eingedreht habe, sodass es tüchtig an den Haaren geziept hat, und sage noch mal: »Hallo?«
    Endlich meldet sich Johannes, mit einer etwas schwächlich klingenden Stimme.
    »Ey, du hast angerufen?«
    »Ja, ich brauche deine Einschätzung.«
    »Kann ich dich vielleicht später zurückrufen? Meine Mutter hat mich gerade ins Krankenhaus gebracht.«
    »Was? Warum das denn?«
    »Weil ich eine Blutvergiftung habe. Du weißt schon, die Mikrobe.«
    Ich kann nur noch hervorpressen: »Scheiße!«
    »Ja.«
    »Und jetzt?«
    »Ich melde mich später. Hauptsache, du hast keine. Du merkst es daran, ob du hohes Fieber bekommst.«
    »Okay. Danke!«
    Ich klappe mein Telefon zusammen und stecke es wieder in meine Hosentasche, obwohl Mama meint, dass sich die Strahlung in die Haut und das darunterliegende Gewebe frisst. Scheiße. Oberscheiße. Wenn Johannes eine Blutvergiftung hat, habe ich bestimmt auch eine. Mir wird richtig heiß und kalter Schweiß steht mir auf der Stirn. Wie gesagt: Meine Mikrobe schmerzt. Ich weiß nur, dass Blutvergiftungen tödlich verlaufen können. Und ich weiß, dass Papa schon mal eine hatte und Mama ihn gerade noch rechtzeitig in die Notaufnahme bugsiert hat, als der Sensenmann schon neben ihm stand. Mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Eltern knallhart in diese heikle Sache mit einzubeziehen. Nur blöd, dass ich mir die Mikrobe nicht an den Arm habe ritzen lassen. Mama ist schon rüber ins Wohnzimmer geeiert, um die Weingläser zu holen, und Papa prokelt mit dem Korkenzieher am Flaschenhals herum. Als Mama mit den Gläsern wieder in die Küche kommt, lächle ich milde und sage:
    »Ich hab da noch ein winziges Problem.«

15
    Leute, gute Nachrichten: Ich habe keine Blutvergiftung. Und Johannes hat seine auch überlebt. Er hat mir in der Nacht noch eine Nachricht geschickt. Er ist jetzt auf dem Weg der Besserung. Wir wollen uns heute Abend nach der Bandprobe bei ihm treffen. Seine Eltern sind nicht da. Ich sage euch, Leute, da werden wir rumknutschen und Zigaretten

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