Leute, ich fuehle mich leicht
jetzt einsehen muss, hat die Aktion nicht gefruchtet. Vermutlich müsste ich ihr eine Atombombe vor die Füße knallen, damit sie begreift, dass sie empfindlich in meine Intimsphäre eindringt. Die Sache mit dem Brotmesser kam so zustande, dass bei mir eine nervliche Überreizung stattgefunden hatte. Ich hatte mir nämlich gerade aus Mamas Ton - voll peinlich - einen Penis getöpfert. Ich hatte geplant, mich damit selbst zu entjungfern, um auf das erste Mal adäquat vorbereitet zu sein. Diese Skulptur hatte ich zum Trocknen unter meinen Unterhosen versteckt. Und als ich am Abend von Alice nach Hause kam, war Mama gerade ganz gemütlich damit beschäftigt meine Unterwäsche einzusortieren. Bei der Gelegenheit hat sie den Tonpenis rausgezogen, ihn in die Luft gehalten und ratlos gefragt: »Was ist das denn für eine Möhre?«
Da ist mir irgendwie die Sicherung durchgebrannt. Heute Abend versuche ich allerdings, ruhig zu bleiben. Es ist schon genügend Porzellan zu Bruch gegangen, wie mein Mathelehrer Herr Herzberger gerne sagt. Ich schiebe Mama in Richtung meines Schreibtischstuhls, damit sie sich dort platzieren kann, und sage: »Reg dich nicht auf, es ist etwas Dummes passiert.«
»Bist du schwanger?«
»Hä?«
Mama reibt sich mit beiden Händen über die Augen und irgendwie scheint sie mir etwas verwirrt zu sein. Dann, als ich denke, ihre Augen müssten jetzt eigentlich schon aus dem Kopf gerieben sein, richtet sie sich auf und sieht mich mit roten Glupschern an.
»Weißt du, wo Constanze ist?«
»Nö.«
»Vor einer Stunde saß sie noch in ihrem Zimmer. Jetzt ist sie weg.«
Großartig. Dann werde ich mal gleich nach ihr fahnden. Ist ja nicht so wichtig, was ich Mama zu sagen hatte. Ich sage es trotzdem noch schnell:
»Alina und ich sind erwischt worden, wie wir eine Art Einbruch begangen haben.«
»Was?«
Mama springt von meinem Stuhl auf und fasst sich mit beiden Händen ans Herz, als sei sie angeschossen worden oder so. Das kenne ich schon. Wenn es bei uns zu hoch hergeht, fasst sich Mama gerne mal ans Herz, um zu signalisieren, dass sie kurz vor einem Herzinfarkt steht. Das ist ganz normal. Früher hat mich diese Showeinlage noch beunruhigt, heute nicht mehr.
Ich ignoriere das also und sage mit tiefer gelegter Stimme: »Mach dir keine Sorgen.«
Von Mama ist offenbar keine Hilfe zu erwarten. Besser, ich rufe gleich Johannes an und frage ihn, was er von der Sache hält, anstatt mir noch eine Sekunde länger Mamas besorgte Miene reinzuziehen. Die bringt nun wirklich keine Klärung.
Mama hockt sich wieder hin und schüttelt den Kopf: »Was heißt das: ›Mach dir keine Sorgen‹? Seid ihr nun irgendwo eingebrochen oder nicht?«
»Nicht direkt.«
»Wo denn überhaupt?«
»In das Zimmer von einer aus unserer Schule.«
»Warum?«
»Weil Alina mal ihr Tagebuch einsehen wollte.«
»Was? Warum das denn? Das geht sie doch gar nichts an.«
»Um zu prüfen, ob die Tussi was von ihr will oder nicht.«
»Alina ist in ein Mädchen aus eurer Schule verliebt?«
»Was ist daran so merkwürdig? Du bist doch auch in Rita verknallt.«
»Bin ich gar nicht.«
»Ach nee? Und was war das gestern Nachmittag für eine Veranstaltung mit Rita bei Weidemanns im Garten?«
»Ich habe Rita lediglich getröstet.«
»Weswegen? Weil sie es nicht geschafft hat, sich selbst das Leben zu nehmen?«
»Elisabeth!«
»Ja, was denn?«
»Weil Rainer sie verlassen hat.«
»Warum das denn?«
»Ach. Das behalte ich besser für mich.«
Mama wischt sich ihre Hände wieder und wieder am karierten Geschirrtuch ab, das sie sich in den Hosenbund gesteckt hat. Wahrscheinlich macht sie gerade in der Küche für Papa den Salat. Er kommt offenbar heute etwas später nach Hause. Überhaupt kommt er in letzter Zeit immer häufiger etwas später nach Hause. Mich würde das ja an Mamas Stelle beunruhigen, aber sie macht nur stumpfsinnig seinen Salat. Den will sie fertig haben, wenn Papa erscheint. Um eine gute Hausfrau zu sein.
Darum steht sie auch schon wieder von ihrem Logenplatz auf und sagt: »Und nun? Wollen die Leute Anzeige erstatten?«
»Ich glaube nicht. Wir haben ihnen ganz offen die Situation erklärt.«
»Warum machst du bei solchen Dummheiten mit?«
»Weil ich nicht nachgedacht habe.«
»Ich muss Papas Salat fertig machen. Und danach rufe ich bei Alinas Eltern an.«
»Die schlafen bestimmt schon.«
»Um neun Uhr?«
»Und was willst du von denen?«
»Ihnen sagen, was ihre Tochter für ein Früchtchen ist.«
»Bitte
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