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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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sie sich mit verliebtem Gesichtsausdruck auf Johannes’ Matratze hockt. Sie legt ihre schwitzige Hand auf seine T-Shirt-Brust und schließt die Augen vor glühender Wollust. Ich könnte schreien. Einfach nur schreien. Und ich weiß, was ich jetzt mache. Ich brettere direkt zu Helmuths Haus und heule Cotsch die Ohren voll. Und Helmuth heule ich gleich mit die Ohren voll. Denn das habe ich noch gut bei ihm. Damals, als ihn Cotsch eiskalt verlassen hatte, da hat er mir in der U-Bahn vor allen Leuten ungefragt die Ohren vollgeheult. Von wegen: »Ich habe meine Frau wegen ihr verlassen.« Oder: »Ich hätte gerne ein paar Kinder mit Constanze gehabt. Sie hätte ja nicht mal arbeiten gehen müssen.«
    Ich sage euch, Leute: Wenn einem das Herz gebrochen wird, muss man Leute vollheulen. So ist das eben. Und genau das mache ich jetzt. Zum ersten Mal in meinem Leben, weil ich jetzt tatsächlich psychomäßig am Ende bin. Nur zu eurer Info: Johannes und ich, wir haben uns gegenseitig eine Mikrobe in die Leistengegend geritzt und die so entstandenen Blutlinien für den 3D-Effekt mit Zigarettenasche aufgefüllt. Zum Zeichen ewiger Verbundenheit. Wahrscheinlich hat Alina von ihm inzwischen auch so ein Teil verpasst gekriegt. Ich will echt nicht wissen, mit wie vielen Tanten Johannes genau diese Nummer abgezogen hat. Wahrscheinlich läuft die halbe Stadt mit eingeritzten Mikroben durch die Gegend - zum Zeichen ewiger Verbundenheit. Ich kann mir an dieser Stelle nur kraftvoll auf die Schulter klopfen und dazu gratulieren, dass ich mit dem Freak nicht auch noch Geschlechtsverkehr hatte. Dann nämlich müsste ich mich wirklich übergeben. Und zwar direkt auf meine Schuhe.

5
    N ass bis auf die Knochen, lasse ich vor Helmuths Haustür mein Rad direkt in die Vorgartenbüsche plumpsen. Zu Hause könnte ich mir das nie erlauben, weil Papa seine Büsche mindestens so liebt wie seine Töchter. Oder wie Cotsch behauptet: »Papa liebt seine Scheißbüsche mehr als uns.« Überhaupt fühlt sie sich von Papa null akzeptiert, weswegen sie einen Vaterkomplex hat. Das jedenfalls behauptet wiederum meine Therapeutin Frau Thomas, zu der ich einmal in der Woche mit der U-Bahn fahre.
    Jetzt steige ich erst mal die Stufen rauf und stelle mich unter Helmuths Vordach. Manometer! Der Regen rauscht echt runter. Ich sehe nur noch graue Bindfäden, die vom Himmel stürzen. Dahinter verschwommene Häuserwände aus weißem Backstein. Ich drücke auf die Klingel, die sich unter so einem massiven Messinghebel befindet. Ziemlich hässlich das Teil. Na ja. Ist ja nicht meine Sache. Außerdem ist mir kalt und drinnen, hinter der Haustür, regt sich gar nichts. Wahrscheinlich sind Cotsch und Helmuth gerade dabei, »sich zu erforschen«. Ich klingle einfach noch mal. Hauptsache, Cotsch flippt nicht aus.
    Sie ist ja auch mal zu meiner Therapeutin gegangen, aber bereits nach der zweiten Sitzung hat sie zu ihr gemeint: »Ich durchschaue Ihre billigen Psychotricks.« Da hat Frau Thomas gesagt, Cotsch sei ein hoffnungsloser Fall und es sei besser, wenn sie nicht mehr käme. Daraufhin hat meine Schwester bei uns im Wohnzimmer einen Stuhl gegen Papas heiliges Bücherregal geworfen. Mama hat vergeblich versucht, sie zu beruhigen: »Kätzchen, nun flipp doch nicht so aus!« Gleichzeitig hat sie sich bemüht, die tiefe Scharte im Holz mit dem Fingernagel irgendwie wieder zu glätten. Damit Papa nichts merkt. Bei der Gelegenheit kam dann raus, dass Cotsch sich nichts mehr wünschte, als trotzdem weiterhin zu Frau Thomas zu gurken. »Nie darf ich zur Therapie gehen! Immer nur Lelle! Ihr hasst mich doch alle!« Da allerdings war das Spiel schon aus. Frau Thomas war total tief gekränkt von Cotschs Arroganz: »So was muss ich mir nicht bieten lassen.« Und Mama meinte: »Dann suchen wir dir eben eine andere.« Aber das wollte Cotsch nicht, weil sie immer genau das haben muss, was die anderen haben. Echt verstörend!
    Trotzdem klingle ich noch mal. Jetzt zweimal hintereinander. Ich finde: Therapeuten sollten solche Angriffe aushalten. Schließlich gehen die psychisch Kranken nicht umsonst zur Analyse! Im Übrigen bezweifle ich sowieso, dass Psychotherapie etwas bringt. Das äußere ich natürlich nicht laut. Hinterher wirft mich Frau Thomas auch noch raus. Wenn ich eines in meinem Leben verhindern möchte, dann, dass jemand böse auf mich ist. Das liegt daran, dass ich von Mama gelernt habe, sogar meine Gegenspieler in ihrem Verhalten zu verstehen und zu akzeptieren. Das macht es

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