Leute, mein Herz glueht
Gelegenheit hat Johannes gleich noch eine Zigarette gegessen. Ohne Scheiß! Ich muss nicht sagen, dass er sich sofort mehrfach übergeben musste. Was aber nichts machte, weil ich kurz danach besoffen von der Bank nach hinten ins Gebüsch geplumpst bin. In dem Moment kam auch schon Mama mit Cotsch angeeiert, um mich nach Hause zu bringen. Unter uns: Mama hat echt ein Gespür für knifflige Situationen. Die taucht verlässlich auf, wenn die Luft brennt. Ich vermute, sie hat den siebten Sinn oder so. Wie auch immer.
Als wir jetzt um die nächste Häuserecke biegen, sehe ich zu Johannes auf und grinse schelmisch. »Bist du bescheuert?! Ich habe doch nichts mit Helmuth! Der ist doch schon total alt!«
Und Johannes grinst verlegen zurück. »Hast recht.«
Und dann erzähle ich ihm die ganze Geschichte mit der geplanten Hochzeit in Las Vegas, die ja wohl nicht mehr stattfinden wird. Und Johannes erzählt mir das ganze Desaster mit Samuel und dem Bierflaschenwurf.
Als wir vor Helmuths Haustür ankommen, überlegt mein Freund: »Tja, es ist schwer, den richtigen Weg und die richtigen Weggefährten zu finden.«
Damit hat Johannes so was von recht. Und um ganz ehrlich zu sein: Ich bin die übelste Tante von allen: Ich habe einen Freund in Afrika. Er liebt mich, ich liebe ihn, und trotzdem angele ich mir erst mal einen neuen Freund - den ich seltsamerweise auch sehr liebe. Ich dachte, wenn ich mich in Johannes verliebe, hört die Liebe zu Arthur auf und ich muss ihn nicht mehr vermissen. Obacht, Leute! So einfach ist es nicht! Arthur und ich haben ja auch unsere Geschichte zusammen und die verbindet uns. Und was noch schlimmer ist: Ich weiß nicht, was ich tun werde, sollte er jemals zurückkommen. Über diese auswegslose Situation mache ich mir plötzlich ziemliche Sorgen. Ich will niemandem wehtun. Allerdings habe ich noch größere Angst, dass mir wehgetan wird.
Ich hole tief Luft und Johannes reicht mir den prallen Plastiksack mit Helmuths braunem Bademantel.
»Hier! Das filzige Tier.«
»Merci.«
Ich drücke auf die Klingel und einen Augenblick später geht schon die Tür auf. Vor uns taumelt ein ziemlich verquollener Helmuth mit geknickter Zigarette im Mundwinkel herum.
Ich sage: »Helmuth, ich bringe dir deinen Bademantel zurück.«
»O-k-a-y.«
Offenbar hat er sich in der Zwischenzeit noch ein paar Gläser Schnaps genehmigt. Wie ein aufgescheuchter Maulwurf blinzelt er in die Nachmittagssonne, dabei hält er sich die Hand als Schirm über die Augen.
»Lelle? Bist du’s?«
»Ja, Helmuth. Ich bin’s.«
Er wankt. Um nicht nach vorne umzukippen, muss er sich am Türrahmen festhalten. Ich sage: »Ich bringe dir deinen Bademantel zurück.«
»Ah, ja. Gut. Komm rein.«
Ich mache einen Schritt in sein Haus rein, dann drehe ich mich noch mal um und sage laut: »Helmuth, das ist übrigens mein Freund Johannes.«
Er nickt und macht so ein schlaffes Zeichen mit der Hand, dass Johannes auch reinkommen soll. Wir folgen ihm durch den dunklen Flur, hinunter bis ins verwüstete Wohnzimmer, wo eine leere Schnapsflasche auf dem flauschigen Teppich liegt. Eine zweite steht halb voll neben der leer gefutterten Etagere auf dem Beistelltisch.
Helmuth macht wieder so eine Handbewegung, dass wir auf dem roten, wulstigen Sofa Platz nehmen sollen. Ich will lieber nicht. Ich glaube, unser Tennistrainer braucht dringend Ruhe.
Also sage ich: »Nee, danke. Ich packe nur schnell meine Klamotten zusammen und dann hauen wir wieder ab.«
Doch Helmuth schüttelt den Kopf und lallt laut rum: »Kommt gar nicht infrage. Ihr setzt euch jetzt hin und dann reden wir über euer Problem.«
Ich glotze zu Johannes rüber und der guckt mich schon wieder wie ein Fisch an. Ich zucke mit den Schultern und sage: »Wir haben kein Problem.«
»Was? Das stimmt doch gar nicht. Oder ist das nicht der Kerl, der mit deiner Schulfreundin rumgemacht hat?«
»Na ja, aber wir haben das jetzt geklärt.«
Helmuth umkreist Johannes bedrohlich nah. Dann packt er ihn plötzlich am Schlafittchen und meint mit zusammengepressten Zähnen: »Wenn du diesem Mädel noch einmal das Leben schwer machst, bekommst du es mit mir zu tun! Ist das klar, Bürschchen?«
Johannes nickt hektisch und Helmuth lässt ihn wieder los. Dann streicht er ihm das gelbe Hemd über der Brust glatt und holt tief Luft. »Tut mir leid, mein Freund. Ich bin gerade etwas angespannt. Wie du vielleicht weißt, hatte ich vor, Elisabeths Schwester zu heiraten. Sie ist eine tolle Frau. Ich liebe
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