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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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zu mir rein und in ihrem Gesicht lese ich eine gewisse Angespanntheit. Schnell falte ich die Hände hinter dem Kopf und schlage die Beine übereinander, um einen entspannten Eindruck zu vermitteln. Doch Mama schnallt sofort, dass etwas nicht in Ordnung ist, und pflanzt sich zu mir auf die Bettkante. Sie legt ihre warme Hand auf meinen Oberarm, so als sei das hier eine astreine Sterbeszene und sie eine Lazarettkrankenschwester. Zu allem Überfluss glotzt Papa jetzt auch noch zu uns rein und will ebenfalls wissen, was hier in seinem Hause wieder an depressiven Zuständen vonstatten geht.
    Ich blinzle zu ihm rüber und bemerke mit so einem abgeklärten Unterton: »Das Leben ist kompliziert.«
    Papa nickt und murmelt: »Das kannst du laut sagen.«
    Dann zieht er sich wieder zurück und schließt die Tür hinter sich. Mama setzt ihr obligatorisches Lächeln auf und fragt mit sanfter Stimme: »Also, was ist?«
    Ich muss mich bemühen, ruhig zu bleiben, um nicht auch so rumzuflippen wie Cotsch. Ich will Mama ja nicht belasten. Schließlich hat die schon genug Ärger am Hals. Also frage ich so freundlich wie irgend möglich: »Wieso hast du mir nicht gesagt, dass Arthur morgen kommt?«
    Gleich zwinkert Mama voller Panik los. »Woher weißt du davon?«
    Und dann ist es auch schon vorbei mit meiner Freundlichkeit, weil in mir, da ist eine Wut, eine glühend rote! »Von Segelohr-Alice. Ich habe sie vorhin auf der Straße getroffen.«
    Mama schluckt trocken. »Ich wollte es dir sagen, wenn du dich ein bisschen eingewöhnt hast.«
    Jetzt setze ich mich aber mal auf und verschränke die Arme vor der Brust. »Entschuldige, Mama, wann bitte sollte das denn sein? Arthur kommt morgen!«
    »Ich weiß. Aber dann kam die Sache mit der Hochzeit dazwischen, dann wusstest du nicht, was mit Johannes ist, dann ist Constanze durchgedreht...«
    »Ja, und dann musstest du ja auch noch dringend zu Rita rüber, um mit ihr Baileys zu trinken.«
    Mama knibbelt schon wieder nervös an ihrem Daumennagel herum. Wenn sie so weitermacht, ist der Daumen bald ganz ab. »Entschuldige.«
    »Schon gut.«
    Sie sieht zerknirscht zu mir rüber, und ich muss zugeben, sie hat es wirklich nicht leicht. Ständig muss sie sich um alle kümmern und uns Mut machen. Und trotzdem machen wir sie für alles verantwortlich. Das kostet jede Menge Kraft. Ich glaube, diesen Impuls, sich um jeden kümmern zu wollen, den habe ich von Mama. Bloß bei all dem Kümmern kommt man leider selbst viel zu kurz. Und das Problem ist, dass es niemand merkt. Nicht einmal man selbst. »Und genau das ist die Falle«, hat Chefarzt Doktor Wilhelm in der Klinik zu mir gesagt. Ich habe genickt und wieder an ganz was anderes gedacht. Jetzt denke ich an Doktor Wilhelm, und vielleicht wäre es erst mal wichtig, mit der Aufmerksamkeit in der Gegenwart zu bleiben, damit ich nicht zerfasere. Leute, ich habe heute so viele Einsichten, dass ich jetzt eigentlich auch sterben könnte. Ich fühle mich so was von weise, dass mir gleich ein langer weißer Rauschebart wächst.
    Also ehrlich. Ich tätschle Mamas Hand und frage: »Wann kommt Arthur denn morgen?«
    »Er landet um halb sieben.«
    »Abends?«
    »Nein. Morgens.«
    »Hast du mit ihm abgemacht, dass wir ihn abholen?«
    »Ja, sicher.«
    »Und was mache ich jetzt?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, mit Johannes und Arthur?«
    Mama seufzt und versucht, regelmäßig zu atmen. »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »Ich meine, wie lange bleibt Arthur denn?«
    »Ich glaube, er bleibt dann hier.«
    »Was?«
    Leute, das ist definitiv zu viel für mich. Mir wird heiß und kalt. Vielleicht verschweige ich ihm Johannes einfach. Geht doch auch. Ich kann ja mit Arthur und Johannes gleichzeitig zusammen sein. An geraden Tagen mit dem einen und an ungeraden mit dem anderen. Oder abwechselnd morgens mit dem und abends mit dem. In der Literaturgeschichte gibt es viele Beispiele für Männer mit mehreren Frauen. Nur noch nicht umgekehrt. Dann wird es aber Zeit. Ich schlucke und sortiere meine Haare zu einer Art losem Pferdeschwanz.
    Mama rutscht zur Seite und streicht ihre Hose an den Oberschenkeln glatt. Sie räuspert sich. »Wen liebst du denn? Johannes oder Arthur?«
    »Beide.«
    »Aha.«
    Und als Übersprungshandlung klopft sie mir plötzlich auf den Rücken, damit ich gerade sitze, und meint: »Erzähl Arthur nicht gleich von Johannes. Macht euch erst einmal einen schönen Tag. Dann kannst du ja weitersehen.«
    Ich nicke und glotze rüber zur Fensterbank, wo meine

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