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Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
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unbedingt. Meistens sind mir die Typen ziemlich egal, also: Ich empfinde nichts für die. Ich will einfach nur nicht, dass die hinterher in der Schule rumerzählen, ich sei mir zu schade oder so.«
    »Dann hör auf damit.«
    »Ja, und wenn die dann denken, ich sei eine Art Nonne?«
    »Na ja, momentan denken sie, du bist eine Art Nutte. Ist das besser?«
    Meine Schwester nickt langsam. Dann beugt sie sich zu mir rüber und gibt mir einen Kuss auf die Wange. Sie streicht mir die Haare aus der Stirn und meint mit leicht verliebtem Unterton in der Stimme: »Lelle, was ich an dir so bewundere, ist, dass du total pragmatisch bist. Wärst du ein Mann, ich würde dich heiraten. Auf der Stelle.«
    »Okay …«
    Ich lächle, damit sie aufhört, an mir rumzufummeln. Meine Schwester ist manchmal nicht ganz bei Trost. Ich muss es einfach so sehen. Einmal, als ich nachts in meinem Bett lag, kam sie plötzlich zu mir ins dunkle Zimmer rüber, und ich bin so ein bisschen wach geworden und hab gemerkt, wie sie mir einfach einen fetten Kuss ins Gesicht gedrückt hat. Und dann hat sie geflüstert: »Ich hab dich lieb.« Danach ist sie wieder raus und hat drüben in ihrem Chambre mit einem Typen von der Oberstufen-Party rumgemacht. Und zwar so laut, dass ich dachte, die beiden Dorftrottel treiben es direkt neben meinem Bett. Ich muss nicht sagen, dass ich die ganze Nacht kein Auge zugemacht habe. Schon am nächsten Tag hab ich mir gleich Ohropax besorgt, das war ja klar. Meine Schwester ist echt manisch. Das muss aufhören. Irgendwann gerät sie noch mal an einen falschen Typen, der sie wirklich wie Dreck behandelt oder sie vergewaltigt oder mit einem Bügeleisen verbrennt. Und bei dem bleibt sie dann, weil sie Abhängigkeit mit Liebe verwechselt.
    Über so einen Fall habe ich mal einen Bericht im Fernsehen gesehen. Da war so eine nett aussehende Frau, die hatte einen Mann kennengelernt und der hat sie von sich abhängig gemacht. Der hat die ganz schlimm misshandelt, und sie ist trotzdem nicht abgehauen, weil sie auf den Tag gewartet hat, an dem er ihr endlich Liebe schenkt. Ich muss nicht sagen, dass dieser Tag nie gekommen ist. Das Einzige, was sie von ihm mitgekriegt hat, war, dass er ihre Hand in ein heißes Waffeleisen gedrückt hat. Ich muss auch nicht sagen, dass ich meiner geliebten Schwester solche traumatischen Erlebnisse gerne ersparen möchte. Im Übrigen, das weiß ich von meinem Aufenthalt in der Klinik, entwickelt man selbstzerstörerische Handlungen, wenn man permanent eingeschränkt und gedemütigt wird. In der Klinik hatten wir einige solcher Fälle. Die Mädchen haben sich mit Rasierklingen die Arme und Beine aufgeritzt. Das sah richtig scheiße aus. Meine Zimmerkameradin hatte zum Glück nur Bulimie, aber eines Tages hat sie sich dann die Pulsadern aufgeschnitten. Leute, in der Klinik habe ich echt krasse Geschichten erlebt, und ich habe einen wichtigen Schluss daraus ziehen können: dass man sich selbst lieben muss, sonst ist man echt am Arsch.
    Meine Schwester erhebt sich von meiner Bettkante und meint mit entschlossenem Unterton in der Stimme: »Okay, ich werde jetzt zu Helmuth gehen und mit ihm reden. Ich denke, er ist der Richtige für mich.«
    Ich nicke zustimmend und sage: »Das denke ich auch. Er liebt dich wirklich.«
    Meine süße, allerliebste Cotsch steckt sich so einen silbernen Reif ins Haar, dass sie nicht mehr ganz so zerrupft aussieht, und rennt aus dem Zimmer. Zum Glück sind die roten Flecken in ihrem Gesicht auch schon dabei, sich zurückzubilden.
    Ich schlurfe erst mal ins Badezimmer und dusche eine Runde. Mir ist kalt und ich muss mich auf morgen früh vorbereiten. Da will ich gut aussehen. Und frisch gewaschene Haare haben.

10
    O kay, Leute. Es geht los. Ich sitze neben Papa im Auto und wir fahren Richtung Flughafen. Draußen dämmert es hinter den sich wiegenden Pappeln und ich bin müde und gleichzeitig hypernervös. Meine Hände sind weiß und kalt, und ich quetsche sie zwischen meine Oberschenkel, um sie irgendwie zu wärmen. Meine Zähne klappern aufeinander und Papa schielt mich aus den Augenwinkeln an.
    »Alles in Ordnung?«
    »Ja, mir ist nur ein bisschen kalt.«
    Und schon greift er nach hinten und zieht seinen hellbraunen Lederblouson vom Rücksitz, den er schon als Student getragen hat. Fürsorglich wirft er ihn mir über die Knie.
    »Besser?«
    »Ja, danke.«
    Ich ziehe das Ding über meine Schultern und rieche Papas Geruch. Gleich erinnere ich mich an früher, wie es war, wenn wir

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