Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Leute, mein Herz glueht

Titel: Leute, mein Herz glueht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexa Hennig Lange
Vom Netzwerk:
Mama gesagt: »Lelle macht uns schon Freude, wenn wir sie nur sehen.« Damals glaubte ich noch, ich hätte die Macht, für Weltfrieden zu sorgen. Inzwischen ist dieses Gefühl ziemlich abgeflaut - leider.
    Helmuth zieht eine gequälte Grimasse, die wie ein entspanntes Lächeln aussehen soll. Es macht allerdings eher den Eindruck, als hätte er furchtbare Schmerzen. Er tut mir echt leid. Aus den Augenwinkeln sehe ich: Cotsch ist fertig zum Durchknallen. Sie hat ihre Lippen zu einer spitzen Schnute geformt, auch ihre zusammengezogenen Augenbrauen sprechen eine eindeutige Sprache. Derweil nestelt Mama hektisch unter dem Tisch an irgendetwas herum. Dann streckt sie plötzlich ihre geschlossene Hand quer über den Tisch und meint leise: »Hier.«
    Cotsch stiert sie voll wütend an. »Was ist das?«
    »Eine halbe Pille.«
    »Scheiß auf die Pille! Papa soll sich einfach nur hinpflanzen und mir nicht wieder alle Freude zerstören!«
    Wieder ruft Mama zaghaft über ihre Schulter: »Bernie?«
    Und Papa stöhnt hörbar auf: »Mensch, nun hetzt mich doch nicht so!«
    Okay, Leute. Ich denke, es ist an der Zeit, meinen Heiligenschein wieder anzuknipsen, um der Menschheit Glückseligkeit zu bringen. Über die letzten Jahre habe ich diese Gabe ziemlich verkümmern lassen, aber ich spüre ganz deutlich, dass sie noch in mir schlummert. Ich lächle sweet in die Runde, so wie ich es als Kind immer gemacht habe, und Helmuth und Mama lächeln automatisch erleichtert zurück. Mama legt mir sogar ihre Hand aufs Knie und tätschelt darauf rum. Ich sehe ihren goldenen Ehering, ihren kurz gebissenen Daumennagel und die Tränen in ihren Augen:
    »Schön, dass du wieder da bist, mein Kind.«
    Und Cotsch brüllt: »Papa, würdest du dich wohl bitte sofort hinsetzen? Helmuth hat etwas zu verkünden.«
    Endlich richtet sich Papa auf. Inzwischen ist sein Gesicht dunkelrot, weil das ganze Blut da hineingesackt ist. Er keucht: »Meine Güte!«
    Ich flüstere zu Cotsch rüber: »Jetzt ruf doch endlich auf meinem Handy an, damit er es findet. Das hält ja kein Schwein aus!«
    »Na gut.«
    Und im nächsten Augenblick klingelt es auch schon direkt unter Papa in den Astern. Leute! An dieser Stelle muss ich sagen: Die Technik ist etwas Wunderbares. Die langwierige Suche ist beendet. Sehr praktisch. Papa greift hinunter in das Grünzeug und zieht das mit krümeliger Erde besudelte Handy hervor. Auch er scheint irgendwie erleichtert: »Na, bitte. Da ist es.«
    Mit dem Handballen wischt Papa die dunklen Erdpartikel ab und reicht mir das gesäuberte Gerät über den Tisch. Dann geht er ins Haus, um sich gründlich die Hände zu waschen. Aus Erfahrung kann ich sagen: Auch das wird dauern. Papa benutzt nämlich gerne zur porentiefen Reinigung die Wurzelbürste. Und nachdem er die Wurzelbürste verwendet hat, geht er runter in den Keller und spült sie ordnungsgemäß über dem dortigen Waschbecken aus. Bei der Gelegenheit wird allerdings sein Blick auf ein paar ungeputzte Schuhe fallen, die er erst mal putzen muss. Wenn das erledigt ist, muss er sich wieder mit der Wurzelbürste die Hände schrubben und anschließend die Wurzelbürste auswaschen. Wenn er nach getaner Arbeit endlich wieder in den Garten rauskommt, ist es Nacht, und Cotsch, Mama, Helmuth und mir sind lange Bärte gewachsen.
    Drinnen in der Küche hören wir das Wasser plätschern, und ich bete zu Gott, dass Papa heute mal die Wurzelbürste liegen lässt und gleich rauskommt. Solange starren wir vier - Mama, Cotsch, Helmuth und ich - auf den restlichen Apfelkuchen, und unsere Köpfe sind voller Watte, weil wir uns Papas Marotten total ausgeliefert fühlen. Helmuth hat sein Glas längst wieder hingestellt und es steigen nur noch wenige Bläschen aus der Tiefe auf. Als der Champagner schon lauwarm ist, ich endlich die Mailbox von meinem Handy abgehört habe, auf die nur meine Schulfreundin Alina draufgequatscht hat, dass sie mir unbedingt und dringend etwas erzählen muss, kommt Papa wieder raus und setzt sich zu uns an den Tisch. Ordentlich breitet er sich die gebügelte Serviette über den Schoß und Helmuth erhebt eilig sein Glas. Angespannt nickt er in die Runde und auf seiner Stirn glänzen noch mehr dicke Schweißperlen. »Um es kurz zu machen: Hiermit möchte ich um die Hand von eurer Tochter Constanze anhalten. Wir haben beschlossen zu heiraten.«
    Leute, das schockt! Meine Schwester ist gerade mal siebzehn Jahre alt! Meines Wissens darf man in diesem Alter noch gar nicht heiraten. Helmuth

Weitere Kostenlose Bücher