Level 4 07 - 2049
Jennifer, sahnach, wieweit sie verletzt war, und stellte fest, dass ihr linker Arm halb weggeschmort war. Er hing nur noch an einem seidenen Faden. Und das war durchaus wörtlich zu nehmen. Nicht eine einzige Ader führte durch Jennifers Arm, sondern irgendetwas, was tatsächlich wohl am ehesten mit seidenen Fäden umschrieben werden konnte: künstliche Nervenbahnen, die zwar berührungsempfindlich waren, aber keinen Schmerz kannten.
»Sieh dir das an«, brüllte Jennifer den Wachmann an. »Weißt du eigentlich, was so eine Reparatur kostet?«
Jennifer zitterte innerlich. Sie selbst konnte den furchtbaren Anblick ihres halb zerfetzten, künstlichen Armes kaum ertragen. Obwohl sie darauf vorbereitet war, nicht aus Fleisch und Blut zu bestehen, so schockte sie dieser unwiderlegbare Beweis, kein richtiger Mensch zu sein, doch gewaltig.
Im Moment aber kam es darauf an, die Wachleute zu überrumpeln. Jennifer biss also die Zähne zusammen, um den Verfolgern gegenüber so unbeeindruckt wie möglich zu wirken. Ihre Taktik funktionierte.
Völlig entgeistert stand der Wachmann da, starrte auf Jennifers Arm, glotzte ihr ins Gesicht und dann wieder auf den Arm. Das, was er da vor sich sah, konnte es gar nicht geben. Niemand stand wieder auf, nachdem er von der Laserkanone getroffen worden war. Sie war auf stärkste Betäubungsstufe gestellt. Und dass der halbe Arm davon abfiel, das gab es schon dreimal nicht. Und dass dieser Arm dann auch noch nicht einmalblutete, sondern wie bei einem Roboter einfach nur an einigen Fäden baumelte, das funktionierte vielleicht bei Metallhunden, denen man schon von weitem ansah, dass sie Roboter waren, aber doch nicht bei Menschen!
Erst jetzt begannen auch einige Passanten sich für das Geschehen zu interessieren. Neugierig blieben die ersten stehen und beobachteten, wie ein etwa dreizehn Jahre altes Mädchen mit halb abgerissenem Arm auf einen Wachmann loslief, der immer weißer wurde, und einen wohl gleichaltrigen Jungen, der sich plötzlich erhob, ein richtiges Loch im Bauch hatte und den zweiten Wachmann anpöbelte, während noch ein Junge gleichen Alters dem ersten Wachmann einfach in den Schritt trat und dem zweiten anschließend eine Kopfnuss verpasste, dass der gleich einen Rückwärts-Salto machte.
Durch die kommunikationsfähigen Anzüge, die alle Menschen trugen, war es üblich, dass Wachleute innerhalb von wenigen Minuten am Tatort waren. Noch schneller als diese privat organisierte Polizei aber waren mittlerweile die großen Medienkonzerne ausgerüstet. Es gab keine Katastrophe, keinen Mordfall, keinen Selbstmörder und keine wilde Laserschießerei auf offener Straße, bei der die Medien nicht eher als die Wachleute vor Ort gewesen wären. Auch dies lag an den speziellen Anzügen. Denn natürlich konnte man mit den Anzügen nicht nur die Zentrale der Wachdienste alarmieren, sondern jedem beliebigen Empfänger ein Signal senden.
Und genau diese Möglichkeit hatten sich die großen Medienkonzerne zu Nutze gemacht. Die ersten drei Passanten, die bei einem besonderen Ereignis den Medienkonzern alarmierten, bekamen jeweils 500 Weltdollar auf ihr Konto überwiesen. Mit solchen Angeboten konnten die Sicherheits- und Wachdienste natürlich nicht konkurrieren. Und so war es kein Wunder, dass bei einem Verbrechen zunächst einmal Kamerateams am Tatort waren und erst dann Wachmänner.
So war es auch in diesem Moment. Der Kampf zwischen den Kindern und den Wachmännern war einfach zu spektakulär, so dass längst eine Reihe von Reportern vor Ort waren. Auch wenn das auf den ersten Blick nicht zu erkennen war. Schon lange gab es keine Kameramänner mehr, die schwere Geräte auf ihren Schultern durch die Gegend schleppten, keine Hilfskräfte, die Stative, Lampen und Akkus hinterhertragen und dann auch noch den Ton aussteuern mussten. Es gab nur den Reporter, der ein Miniatur-Mikro an der Wange heften und sich eine kaum sichtbare digitale Kamera hinters Ohr geklemmt hatte.
Dass überhaupt Medienleute anwesend waren, merkten die Kinder erst, als sich die ersten an Ben heranmachten, noch während Frank prüfte, ob die beiden Wachleute außer Gefecht gesetzt waren.
Eine groß gewachsene Frau, die mal wieder so schön war, dass Jennifer sich fragte, ob sie nicht auch künstlich hergestellt worden war, schoss auf Jennifer zu und fragte: »Hey, Girl. Spacig, dein Arm. Wie hast du das denn gemacht?«
Dabei lächelte sie unaufhörlich, als hätte Jennifer soeben den Hauptpreis in einer
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