Level 4 07 - 2049
war eine große Kreuzung, von der in alle Himmelsrichtungen Wege abgingen und von ihren Freunden nach wie vor keine Spur.
»Das gibt es doch nicht!«, rief Miriam entsetzt. Was sollte sie denn jetzt bloß tun?
Niedergeschlagen hockte sie sich an Ort und Stelle einfach auf den Fußboden. Würde sie nun auf gutGlück irgendeine Richtung einschlagen, hätten ihre Freunde überhaupt keine Chance mehr, sie zu finden. Miriam konnte sich nicht vorstellen, dass ihre Freunde einfach weiterzogen ohne auf sie zu warten und umzukehren und sie zu suchen. Das Sicherste also war, hier zu bleiben, bis einer ihrer Freunde vorbeikam.
Kaum hatte Miriam das für sich beschlossen, als sie plötzlich Ben sah. Zwar nicht leibhaftig, aber auf einem Videoschirm, der in einer der Wände an der Kreuzung eingelassen war. Einige Passanten blieben kurz stehen, um sich die neuesten Nachrichten zu betrachten. Sie hätten diese Nachricht zwar ebenso gut auf ihrem Anzug abrufen können. Aber wenn eine Nachrichtensendung öffentlich an einer Straßenkreuzung vorgeführt wurde, gewann die ganze Sendung etwas Offizielles, Wichtiges und somit Interessanteres. Genau dies war der Grund, weshalb es überhaupt solche öffentlichen Videowände gab. Die Medienunternehmen hatten festgestellt, dass sie damit ihre Einschaltquote enorm steigern konnten.
Miriam erhob sich, rollte eilig auf die Wand zu, um davor einen günstigen Platz zu ergattern und sah gebannt auf das Geschehen im Video.
Sie sah, wie Frank und Ben mit Wachhabenden kämpften, wie Jennifer sich einmischte, wie auf ihre Freunde geschossen wurde, wie Jennifer der halbe Arm wegkokelte und Ben ein großes Loch in den Bauch gebrannt bekam, ohne dass den beiden das Ganze etwas ausmachte.
Genau das war auch der Punkt, an dem ein Reportervor die Kamera trat und auf genau diesen Umstand aufmerksam machte.
Bekannt wurde inzwischen, so informierte er, dass vier dieser sechs Kinder international gesucht werden, wobei leider noch nicht herauszubekommen war, weshalb die International Security hinter diesen Kindern her ist. Die Sicherheitsorganisation lehnt zur Stundejede Stellungnahme ab, wobei nach dem Weltmediengesetz von 2039 eine solche Stellungnahme, die im Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit steht, nur bis zu zwei Stunden abgelehnt werden darf. Folgerichtig wurde auch bereits zu einer Medienkonferenz eingeladen, die in einer Stunde stattfindet und über die wir Sie natürlich sofort live unterrichten. Denn alle stellen sich inzwischen die Frage: Wer sind diese Kinder? Weshalb werden sie gesucht? Wieso besteht Schuss-Erlaubnis? Kann eine Hand voll Kinder ein solches Sicherheitsrisiko darstellen? Weshalb wurde auf die Kinder sofort geschossen und – das ist die wichtigste Frage überhaupt – wie haben es die Kinder geschafft, den Angriff mit Laserkanonen so unbeschadet zu überstehen? Handelt es sich möglicherweise um Außerirdische? Sehen Sie dazu gleich ein Interview mit Omega Butlar, dessen Familie schon seit acht Jahrzehnten vergeblich nach außerirdischem Leben im Weltall sucht …
Miriam erschrak. Irgendetwas musste da furchtbar schief gelaufen sein. Sie wollten doch gemeinsam in ein Fernsehstudio fahren und dort live in einer Art Talk-Show darüber berichten, was mit ihnen passiertwar. Wenn sich jetzt aber ein Reporter meldete, kurze Szenen eines schrecklichen Kampfes zeigte und nun wilde Mutmaßungen darüber anstellte, wer die Kinder waren, die da gesucht wurden, bedeutete dies: Der Onkel und ihre Freunde hatten das Fernsehstudio nie erreicht und auch keine Möglichkeit mehr, sie zu finden.
Da sie vorher – wie Miriam hatte sehen können – von zwei Wachleuten aufgespürt worden waren, konnte das eigentlich nur bedeuten, dass sie verhaftet worden waren. Doch dann hätte der Reporter das doch sicherlich erwähnt?
Miriam wandte ihre Aufmerksamkeit wieder der Videowand zu. Dort berichtete der Reporter gerade, dass die Kinder und ein Erwachsener plötzlich verschwunden waren und in dieser Minute über die Exklusivrechte ihrer Interviews verhandelt wurde. Diese Nachricht traf Miriam wie ein Donnerschlag. »Mit anderen Worten!«, schrie sie einfach in die Menge. »Die wissen, wo sie jetzt sind!«
Ein junger Mann, der nur eine halbe Glatze besaß, weil ihm aus der linken Schädelhälfte lange, wellige goldene Haare wuchsen, drehte sich zu Miriam um: »Natürlich wissen die das! Was denkst du denn? Das ist doch I.C.I.E., einer der größten Medienkonzerne der Welt.«
Miriams Herz –
Weitere Kostenlose Bücher