Level 6 - Unsterbliche Liebe
ohne hinunterzufallen, doch irgendwann hatte ich es begriffen. Allerdings war das alles sechs Jahre her, und es war definitiv nichts, was ich täglich übte.
Langsam ging ich weit genug in die Hocke, um den Knoten an den Fesseln zu lösen, die an seinen Knöcheln kurz über seinen abgetragenen schwarzen Stiefeln saßen.
Sein Körper nahm die gesamte Breite der Brücke ein und ragte noch darüber hinaus. Er konnte sich nicht rühren, ohne dass alles um ihn herum ins Wanken geriet, und ich hatte keine Chance, an ihm vorbeizukommen.
Er sah zu seinen gefesselten Handgelenken. „Und jetzt?“
Eine Kamera zischte an meinem Ohr vorbei, und ich schlug danach. Meine Hand traf das kalte Metall.
„ Für dieses Level von Countdown verbleiben noch fünf Minuten. “
Ich erwiderte seinen Blick und bemerkte, dass mehr als nur Angst darin stand. Ich erkannte Sorge. Um mich.
Es versetzte mir einen Stich ins Herz. Warum machte er sich Sorgen um mich? Ich hasste den Gedanken, dass ich davon überzeugt gewesen war, er wäre ein guter Mensch – und nach allem, was ich gehört hatte, zweifelte ich auch jetzt noch an seiner Schuld. Weigerte ich mich, an seine Schuld zu glauben, weil ich mir niemals erlauben würde, etwas für den Jungen zu empfinden, der meine Familie ermordet hatte?
„Ich denke nach“, erwiderte ich knurrend.
Er blinzelte. „Was sie vorhin erzählt haben … über das, was mit dir und diesem Anwaltsarsch geschehen ist …“
„Es war die Wahrheit. Alles.“
Er presste die Lippen aufeinander. „Wenn er nicht schon für den Rest seines Lebens hinter Gittern schmoren würde, würde ich ihn finden und ihm das Herz herausreißen.“
Ich zwang mich dazu, mich auf die Brücke zu konzentrieren. „Es ist ja nichts passiert. Und ich habe meine Lektion auf die harte Tour gelernt.“
„Ich würde ihn trotzdem umbringen.“
„Fällt dir das so leicht? Jemanden zu töten?“ Meine Stimme brach bei dem letzten Wort.
Seine Miene verfinsterte sich. „Ich würde es aus einem guten Grund tun. Aus dem richtigen Grund. Um jemanden zu schützen, an dem mir sehr viel liegt.“
„Willst du damit sagen, dass dir viel an mir liegt?“
„Klar.“ Er wandte den Blick ab. „Und jetzt liegt mir viel daran, dass du mich losbindest, damit wir endlich mit diesem verdammten Level fertig werden.“
„Vergiss nicht, dass uns am Ende eine Belohnung winkt.“
„Das ist mir egal. Ich will es einfach nur überleben. Jetzt musst du über mich steigen und meine Fesseln lösen, damit wir weiter können. Die Zeit wird knapp.“
Ich legte eine Hand auf seinen Oberschenkel und ließ mich langsam weiter herunter. Er spreizte die Beine, damit seine Füße von der Brücke hingen, sodass ich Platz hatte, um mich zu bewegen. Auf den Knien rückte ich so nahe an ihn heran, bis es nicht mehr weiterging. Dann stützte ich mich mit den Händen auf seinem durchtrainierten Bauch ab, danach auf seinem Oberkörper, schob mich auf ihn und zog mich vorwärts. Vorsichtig hielt ich mich an der Brücke über seinem Kopf und zwischen seinen Armen fest. Unsere Körper waren nun eng aneinandergepresst.
Er atmete schwer. „Verdammt.“
„Was ist?“
„Ist es falsch, dass mir das hier jetzt ein bisschen gefällt?“
„Tut es das?“
„Kira …“ Unsere Blicke schienen zu verschmelzen, und unsere Gesichter waren einander so nahe, dass ich seinen Atem warm auf meinen Lippen spüren konnte.
Ich beugte meinen Kopf zu seinem Ohr und flüsterte: „Jonathan hat mir erzählt, dass du derjenige bist, der meine Familie auf dem Gewissen hat.“
Er riss die Augen auf. „Was?“
„Du hast mich schon verstanden. Vor zwei Jahren, als du drogenabhängig warst.“ Eine Träne rollte mir über die Wange und fiel zwischen uns. „Du bist aus der Suchtklinik abgehauen und mitten in der Nacht in unser Haus eingebrochen. Du hast meinen Vater, meine Mutter und meine Schwester erschossen. Und du hättest michauch umgebracht, wenn die Cops nicht in dem Moment aufgetaucht wären.“
„Nein, Kira …“
„Halt die Klappe. Halt einfach die Klappe.“ Meine Stimme überschlug sich, klang fast hysterisch. „Darum haben sie mich als deine Partnerin ausgewählt. Weil sie wussten, was du mir angetan hast. Sie wussten es. Jonathan hat mir gesagt …“
„Jonathan ist ein verdammter Lügner“, unterbrach er mich. Er spuckte die Worte beinahe aus. „Er ist einer von ihnen. Siehst du das nicht? Er lügt dich an. Ich habe deine Familie nicht ermordet. Ich schwöre
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