Level X
pornografische Bilder schwirren in seinem Kopf heru m . Wenn wir – Anne und ich – sexuelle Fantasien hatten, dann redeten wir darüber, tauschten sie aus und genossen sie ge m einsam. Seine Fantasien sind sch m utzig und geheim. Manchmal denkt er an eine Frau, die er getroffen oder irgendwo kurz gesehen hat, und stellt sich vor, er läge m it ihr statt m it Anne i m Bett. Ma nc h m al erfin d et er die Frau aber au c h nur. Tut Anne das Gleiche? Manch m al frage ich m i ch das wirklich.
Eins weiß ich m it Sicherheit: Er hat keine Af f ären. Zu m i ndest das hätte eigentlich m eine Achtung vor ihm steigern können, wären seine Motive nicht so schäbig gewesen. Im Grunde genom m en ist er zu bequem für eine Affäre. Außerdem fürchtet er sich vor einem Skandal. Und vor Kran k heiten. Nicht zulet z t sagt i h m seine prag m atische Veranlagung, dass es verdam m t unwahr- scheinlich w äre, eine bessere Frau als Anne zu finden.
Nein, es ist nicht gerecht. Es ist u nerträglich! Hier bin ich, gefangen in den T i efen seines B ewusstseins, während er auf ihr schwit z t und stöhnt und sie begrapscht. Ich kom m e m i r vor wie ein S p anner, wie ein kranker Perverser. E r hat einen Org a s m us, ich nicht. Es passiert all e in in seinem Körper und seinem Gehirn, nicht in mi r – was im m er ich auch s ein m a g. Ich registriere nur das kra m pfarti g e Zucken seiner Synapsen, wenn es s o weit i s t. Was m i ch betrifft, könnte es genauso gut ein Niesen wie ein Orgasmus sein.
W i e ich m i ch danach sehne, das zu spüren, was er m it seinen Händen betastet! Die Reaktionen bei Anne hervorz u rufen, die zu wecken er, Richard, durcha u s i m stande wäre, seine Bewegungen zu beeinflussen und zu lenken, um in ihr die wilde, echte Leidenscha f t hervorzurufen, von der ich weiß, dass sie da ist – da sein muss! Sie ist n i c h t m e i ne Anne, aber sie ähnelt i h r genügend. Ich liebe sie, und ich w i ll sie! Ich könnte sie ändern. Und ich könnte erreichen, dass sie m i r gehört.
Und doch kann ich es nicht.
Genug davon! Ich muss an et w as anderes denken! Irgend e twa s !
Ich darf nur an m ein Ziel denken, darf nicht abschweife n . Meine einzige Hoffnung besteht darin, einen Weg zu finden, wie ich Kontakt m it Richard aufneh m en kann, ohne dass er erneut in Panik ausbricht. Ich könnte ihn zerstören, und es würde m i r keine geringe Befriedigung verschaffen! Aber da m it würde ich auch m i ch selbst vernichten. Was für ein Dilem m a! Ich m uss durchhalten, m uss stark bleiben.
W as soll ich nur tu n ?
Etwas Schrecklic h es ist geschehen. Es hat m i ch regelrecht u m gehauen. Einen halben Tag lang war ich wie weggetreten, so schockiert war ich. Aber dann wurde m i r ganz all m ählich klar, was ich zu tun habe. Es ist m eine einzi g e Chance.
Natürlich schläft Richard auch. Ich nicht. W arum auch im m er stoffliche Körper und Gehirne jenes gewisse Quantum an täglicher A uszeit brauchen – auf m i ch trifft es nicht zu. Während er schläft, nutze ich die G elegenheit und erkunde jene Regionen seines Bewusstseins, in die ich m i ch nicht hineinwage, solange er wach ist, aus Furcht, ich könne seinen Verdacht erregen. Manch m al lösen m eine Nachforschungen Träu m e bei ihm aus, aber da m i t kann ich leben. Er weiß über Träu m e Bescheid. W i r alle glauben, über Träu m e Bescheid zu wissen. W i r neh m en sie als etw a s völlig Nor m ales hin, so eigenartig sie auch sein m ögen, und verdrängen sie, sobald wir erwachen. Ich habe sogar versucht, in seinen T räu m en m it ihm zu reden, in der Hoffnung, auf diese W e ise eine V erbindung zwischen u ns herz u stellen. Vergebens, es h at nicht f unktionie r t. Ein T e il s eines V e rst a ndes re g i s t rierte, was vor sich gi n g, und die alte Panik wallte wie d er auf. Ich musste schnell ein Täuschungs m anöver durchführen und ihm alle m ö glichen belanglo s en Dinge vorgaukeln, sodass er den Vorfall als ganz nor m alen Albtraum abtat.
Ich bin im m er w e iter in seine Erinnerungen vorgedrungen und habe sie durchkäm m t, sie m it m einen eigenen v erglichen, f estgest e llt, wo er and e re Entscheidungen als ich getroffen hat oder die Dinge ihm in etwas anderer Form wid e rfahren sind als m i r. Die Ge m einsamkeiten u nserer b e ider Le b en sind überwältigend, was die Unterschiede nur umso be m erkenswert e r m acht. Sollte da ss elbe auch f ür m eine Anne und diese Anne hier gelt e n? Vielleicht bestand doch noch
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