Leviathan - Die geheime Mission
sich, ob darwinistische Kreationen so rasch an Kälte starben wie natürliche Wesen. Oder Menschen.
Hundert Menschen, die dort draußen waren …
Sein Blick schweifte hinunter zu dem Stall, wo es genug Vorräte für eine kleine Armee gab. Medizin für die Verwundeten sowie Pelze und Feuerholz, um sie warm zu halten.
»Wir können hier nicht herumsitzen und zuschauen, wie sie sterben, Graf. Ob nun Feind oder Freund.«
»Haben Sie nicht zugehört?«, schrie Volger. »Sie sind der Erbe des österreichisch-ungarischen Throns. Sie haben dem Reich gegenüber eine Pflicht, nicht gegenüber diesen Männern da draußen.«
Alek schüttelte den Kopf. »Im Augenblick gibt es nicht viel, was ich für das Reich tun könnte.«
»Jetzt vielleicht nicht. Aber wenn Sie es schaffen, am Leben zu bleiben, werden Sie bald genug Macht erlangen, um diesen Wahnsinn zu beenden. Vergessen Sie nicht: Der Kaiser ist dreiundachtzig und Krieg ist ein schlechter Freund von alten Männern.«
Mit diesen letzten Worten brach Volgers Stimme, und plötzlich sah er selbst alt aus, als würden die letzten fünf Wochen mit einem Schlag ihren Tribut fordern. Alek verkniff sich die Antwort und erinnerte sich daran, was Volger geopfert hatte – sein Heim und seinen Rang -, nur um zum Gejagten und Gehetzten zu werden und keinen Schlaf mehr zu finden. Und als sie schließlich in Sicherheit gelangt waren, fiel diese abscheuliche Kreatur aus dem Himmel und drohte, Jahre seiner Planung zunichtezumachen.
»Gewiss, Volger.« Alek nahm ihn am Arm und führte ihn in den Turm und aus dem Wind heraus. »Wir passen auf und warten ab.«
»Vermutlich können die ihr gottloses Tier reparieren«, sagte Volger auf der Treppe. »Und dann sind sie wieder verschwunden, ohne uns überhaupt bemerkt zu haben.«
»Bestimmt.«
Auf halbem Weg zum Hof hielt Volger plötzlich inne, brachte auch Alek zum Stehen und zog eine schmerzliche Miene. »Wir würden ihnen helfen, wenn wir könnten. Aber dieser Krieg kann den gesamten Kontinent in Schutt und Asche legen. Das sehen Sie doch ein, oder?«
Alek nickte und führte den Graf in die große Halle der Burg, wo Bauer gerade Feuerholz im Kamin aufrichtete. Als Volger die Vorräte sah, die darauf warteten, gekocht zu werden, seufzte er müde und erzählte den anderen von dem abgestürzten Luftschiff – noch eine Woche ohne Feuer und dazu lange, kalte Wachen jede Nacht.
Trotzdem war es ein Vergnügen, in einer Burg zu speisen, wenn auch in einer kalten, nach all den Mahlzeiten, die sie im eisernen Bauch des Sturmläufers eingenommen hatten. Die Lagerräume boten einen Luxus, auf den sie während der letzten Wochen verzichtet hatten: geräucherten Fisch als Hauptspeise, Trockenobst und Dosenpfirsich als Nachtisch. Der Wein schmeckte köstlich, und als Alek sich anbot, die erste Wache zu übernehmen, prosteten die anderen ihm herzlich zu.
Niemand sprach darüber, die Besatzung des Luftschiffes zu retten. Vielleicht nahmen die anderen an, das monströse Wesen würde von allein wieder fortfliegen. Sie hatten auch die Kugeleinschläge im Rumpf nicht gesehen, nicht die Männer, die verletzt oder leblos in der Takelage hingen. Stattdessen redeten sie wie Soldaten und überlegten sich, wie die Burg gegen einen Angriff aus der Luft zu verteidigen sei. Bauer und Klopp stritten sich über die Frage, ob man mit dem Geschütz des Sturmläufers hoch genug schießen konnte, um ein Luftschiff zu treffen.
Alek hörte zu und beobachtete sie. Er hatte den größten Teil des Tages geschlafen und das Steuer erst nach
Sonnenuntergang übernommen, als Klopp mit seinen alten Augen nicht mehr gut genug sehen konnte. Jetzt war es noch nicht einmal Mitternacht und vor dem Morgengrauen würde er keinen Schlaf brauchen. Die anderen würden jedoch vom hinter ihnen liegenden Tag und der eisigen Kälte erschöpft sein.
Nachdem sie eingeschlafen waren, stieg Alek leise in den Turm hinauf.
Das Luftschiff lag wie ein dunkler Schemen auf dem makellosen Weiß des Gletschers. Es wirkte jetzt viel kleiner, als würde langsam die Luft aus ihm herausströmen. Feuer oder Lampen waren nicht zu sehen, nur dieses eigenartige Leuchten, das Alek auch schon vorher aufgefallen war.
Winzige Lichtpünktchen bewegten sich im Wrack wie grüne Glühwürmchen, die um die Wunden des gigantischen Wesens schwärmten.
Alek schauderte. Er hatte schreckliche Geschichten über die Schöpfungen der Darwinisten gehört: Mischungen aus Tiger und Wolf, sagenhafte Ungeheuer, die zum
Weitere Kostenlose Bücher