Leviathan erwacht - Corey, J: Leviathan erwacht - Leviathan Wakes (The Expanse Series Book 1)

hat. Wenn ich ihr begreiflich machen kann, was vorgeht, können wir vielleicht mit ihr verhandeln.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Nennen Sie es eine Ahnung«, entgegnete Miller. »Mit Ahnungen kenne ich mich aus.«
    Holden pfiff durch die Zähne, als sich auf einmal alles auf den Kopf stellte. Die neue Perspektive ließ ihn schwindeln.
    »Das Protomolekül will allerdings immer noch sein Programm abarbeiten«, widersprach er schließlich. »Und wir haben keine Ahnung, worin es besteht.«
    »Ich kann Ihnen aber mit Sicherheit sagen, dass es nicht die Menschheit ausrotten will. Die Wesen, die Phoebe vor zwei Milliarden Jahren in unsere Richtung abgeschossen haben, wussten nicht, was Menschen sind. Was es auch tun will, es braucht Biomasse, und die hat es jetzt.«
    Holden schnaubte verächtlich.
    »Und jetzt? Wie kommen Sie darauf, dass uns das nicht schadet? Das ist nicht Ihr Ernst. Glauben Sie wirklich, das Ding wird einfach zustimmen und woandershin fliegen, wenn wir ihm erklären, dass es die Erde in Ruhe lassen soll?«
    »Nicht das Ding«, antwortete Miller. » Sie wird es tun.«
    Naomi blickte Holden kopfschüttelnd an. Sie konnte nicht erkennen, dass mit Miller irgendetwas nicht stimmte.
    »Ich arbeite seit, verdammt, seit fast einem Jahr an dem Fall«, erklärte Miller. »Ich bin in ihr Leben eingestiegen, habe ihre Mails gelesen und ihre Freunde getroffen. Ich kenne sie. Sie ist ein absolut unabhängiger Mensch, und sie liebt uns.«
    »Uns?«, fragte Holden.
    »Die Menschen. Sie liebt die Menschen. Sie wollte kein kleines reiches Mädchen mehr sein und hat sich lieber der AAP angeschlossen. Sie hat den Gürtel unterstützt, weil sie es für richtig hielt. Keinesfalls wird sie uns töten, wenn sie weiß, was passiert. Ich muss nur einen Weg finden, es ihr zu erklären. Ich kann das schaffen. Geben Sie mir eine Chance.«
    Holden fuhr sich mit gespreizten Fingern durch die Haare und schnitt eine Grimasse, als er spürte, wie fettig sie waren. Ein oder zwei Tage bei hohem Schub waren für die Körperpflege nicht eben förderlich.
    »Das kann ich nicht tun«, erwiderte Holden. »Die Gefahr ist zu groß. Wir machen mit dem Plan weiter. Tut mir leid.«
    »Sie wird euch schlagen«, antwortete Miller.
    »Was?«
    »Na gut, vielleicht auch nicht. Sie haben eine Menge Feuerkraft aufgeboten. Aber das Protomolekül hat herausgefunden, wie es die Trägheitskraft überwinden kann. Julie ist eine Kämpferin, Holden. Wenn Sie angreifen, wette ich auf Julie.«
    Holden hatte das Video von Julie gesehen, die auf dem Stealthschiff die Angreifer abgewehrt hatte. Sie hatte sich methodisch und rücksichtslos verteidigt und erbarmungslos gekämpft. Er hatte den wilden Ausdruck der Augen bemerkt, als sie in der Falle gesessen und sich bedroht gefühlt hatte. Nur die Raumanzüge der Angreifer hatten verhindert, dass Julie erheblich mehr Schaden angerichtet hatte, ehe sie niedergerungen wurde.
    Holden sträubten sich die Haare, als er sich vorstellte, wie Eros tatsächlich kämpfte. Bisher hatte er sich darauf beschränkt, vor den ungeschickten Angriffen zu fliehen. Was geschah, wenn das Ding einen Krieg führte?
    »Sie können Julie aufspüren und die Bombe zünden«, meinte Holden.
    »Wenn ich nicht zu ihr durchdringe, werde ich genau das tun«, erwiderte Miller. »Ich finde sie und rede mit ihr. Wenn ich nichts ausrichten kann, schalte ich sie aus, und Sie können Eros pulverisieren. Das soll mir recht sein. Aber Sie müssen mir Zeit geben, es zuerst auf meine Weise zu versuchen.«
    Holden wechselte einen Blick mit Naomi. Sie war bleich. Er suchte Antworten in ihrer Miene und wollte seine Entscheidung von dem abhängig machen, was sie dachte. Natürlich fand er nichts, es war allein seine Sache.
    »Brauchen Sie denn mehr als 27 Stunden?« Miller schnaufte laut. In seiner Stimme lag eine Dankbarkeit, die in gewisser Weise schlimmer war als das Flehen.
    »Das weiß ich nicht. Hier unten gibt es ein paar Tausend Kilometer Tunnel, und die Nahverkehrssysteme funktionieren nicht. Ich muss laufen und ständig den verdammten Karren mitschleppen. Ganz zu schweigen davon, dass ich gar nicht weiß, wonach ich überhaupt suchen soll. Lassen Sie mir etwas Zeit, ich werde es schon herausfinden.«
    »Ihnen ist doch klar, dass Sie Julie töten müssen, wenn es nicht klappt. Sie und sich selbst.«
    »Ich weiß.«
    Holden ließ die Rosinante berechnen, wie lange Eros bei der gegenwärtigen Beschleunigung noch brauchte, um die Erde zu erreichen. Die