Lewis, CS - Narnia 2
Freude daran, doch als sie weiter und immer weiter gingen und gingen, wurde der Rucksack schwer und schwerer, und sie fragte sich, wie das alles wohl enden solle. Sie blieb stehn und sah sich die flimmernde Helle des gefrorenen Flusses mit seinen erstarrten Wasserfällen, die weißen Schneelasten der Baumwipfel, den großen klaren Mond und die unzähligen Sterne an. Sie beobachtete Herrn Bibers kurze Beinchen, die vor ihr, pitsch – patsch – pitsch – patsch, durch den Schnee watschelten, als würden sie niemals stillestehn. Dann versteckte sich der Mond wieder, und es fing von neuem an zu schneien. Lucy war so müde, daß sie fast im Laufen eingeschlafen wäre, da bemerkte sie plötzlich: Der Biber wandte sich vom Ufer ab nach rechts, führte sie steil aufwärts in dichtes Strauchwerk, und hast du nicht gesehn, verschwand er in einem kleinen Loch das fast unsichtbar war unter dem Gebüsch, und erst wenn man ganz nahe stand, entdeckte man es. Bevor sich Lucy überhaupt klar wurde, was geschah, sah sie nur noch seinen kurzen breiten Schwanz herausragen.
Sofort bückte sie sich und krabbelte ihm nach. Dann hörte sie Stoßen und Strampeln und Scharren hinter sich und in wenigen Minuten waren alle fünf drinnen.
»Wo um alles in der Welt sind wir?« fragte Peter.
Seine Stimme klang müde und blaß. (Ich hoffe, ihr versteht, was ich mit einer Stimme, die blaß klingt, sagen will?)
»Das ist ein alter Biberschlupfwinkel für gefährliche Zeiten, ein großes Geheimnis. Wir haben nicht viel Platz, aber wir brauchen ein paar Stunden Schlaf«, erklärte der Biber.
»Hättest du beim Abmarsch nicht so gedrängelt, dann hätte ich einige Kissen mitgenommen«, klagte die Biberin.
Die Höhle war nicht halb so hübsch wie die von Herrn Tumnus, stellte Lucy fest. Es war ein sandiges, aber immerhin trockenes Erdloch. Es war sehr eng, und nachdem alle sich niedergelegt hatten, bildeten sie nur ein einziges Pelz-und Kleiderbündel, aber dadurch wärmten sie einander, und nach dem langen Marsch fehlte nicht viel, so wäre es geradezu heimelig gewesen.
Der Boden der Höhle hätte allerdings ein wenig weicher sein können. Nun reichte die Frau Biberin im Dunkeln eine kleine Flasche herum, und jeder nahm einen Schluck. Der Trank brannte in der Kehle. Jeder mußte husten und ein bißchen krächzen, aber als sie ihn unten hatten, wurde ihnen wundervoll warm, sie streckten sich aus und schliefen ein.
Lucy dünkte es nur eine Minute, obgleich Stunden und Stunden vergangen waren. Als sie wieder erwachte, fröstelte sie ein wenig, fühlte sich ganz steif und hätte schrecklich gern ein heißes Bad gehabt. Die langen Haare eines Biberbartes kitzelten ihre Wange. Sie sah das Tageslicht vor dem Höhleneingang, und gleich darauf war sie wie alle die andern auch – völlig munter. Sie saßen plötzlich alle mucksmäuschenstill, sperrten Mund und Augen auf und lauschten einem Geräusch, an das sie die ganze Zeit über gedacht hatten, das sie auf ihrer nächtlichen Wanderung mehrmals zu hören geglaubt: »Kling, klang kling, klang« ertönte es.
Der Biber hatte es kaum gehört, da fuhr er wie ein Blitz aus der Höhle. Wahrscheinlich denkt ihr genau wie Lucy im ersten Augenblick: Wie dumm, so was zu tun.
Aber handelte er denn nicht vernünftig? Er wußte, daß er im Schutz der Büsche höher hinaufklettern konnte, ohne gesehn zu werden. Er wollte unbedingt wissen, welchen Weg der Hexenschlitten nehmen würde. Die andern in der Höhle warteten voll Spannung. Sie warteten beinahe fünf Minuten. Was sie dann hörten, erschreckte sie gar sehr. Sie vernahmen Stimmen! O weh, o weh, dachte Lucy. Man hat ihn gesehn. Sie hat ihn gefangen. Wie groß war aber ihre Überraschung, als der Biber sie gleich darauf hinausrief.
»Alles in Ordnung«, schrie er, »kommt nur heraus, liebe Frau, Söhne und Töchter Adams! Alles in Ordnung! Es ist nicht dieselbige.« (Das war natürlich keine gute Umgangssprache, aber so reden die Biber, wenn sie aufgeregt sind, wenigstens in Narnia. In unserer Welt sprechen sie ja gewöhnlich überhaupt nicht.) Die Biberin und die Kinder buddelten sich aus der Höhle heraus und blinzelten, über und über mit Sand und Erde bedeckt, in das Tageslicht. Sie sahen ganz zerdrückt, ungebürstet, ungekämmt und verschlafen aus.
»Kommt her, kommt alle her!« Der Biber tanzte geradezu vor Vergnügen. »Das ist ein schwerer Schlag für die Hexe. Ihre Macht scheint bereits gebrochen.«
»Was meint Ihr denn, Herr Biber?« keuchte
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