Lewis CS - Narnia 4
können wir später reden. Du gehst doch sicher hinunter, Peter?« »Das muß jetzt sein«, erklärte Peter. »Reiß dich zusammen, Suse. Wir können uns doch jetzt, da wir in Narnia sind, unmöglich wie Kinder benehmen. Hier bist du eine Königin. Und könnte denn einer von uns überhaupt schlafen, solange das Geheimnis nicht gelüftet ist?«
Sie versuchten, lange Stöcke als Fackeln zu benutzen, hatten aber kein Glück damit. Hielten sie die Stöcke mit dem brennenden Ende nach oben, so gingen die Fackeln aus. Hielten sie sie aber umgekehrt, so versengten sie sich die Hände, und der Qualm stieg ihnen in die Augen. Schließlich mußten sie Edmunds Taschenlampe benutzen, die er glücklicherweise erst kürzlich zum Geburtstag bekommen hatte und deren Batterie noch fast neu war. Er ging mit dem Licht voran. Dann folgte Lucy, dann Suse, und Peter kam als letzter.
»Hier ist der Anfang der Stufen«, stellte Edmund fest. »Zähle sie«, ordnete Peter an.
»Eins - zwei - drei«, sagte Edmund, während er vorsichtig hinabstieg, und zählte dann weiter bis sechzehn. »Und hier ist der Boden«, rief er dann zurück.
»Dann muß es wirklich Feeneden sein«, meinte Lucy. »Dort waren es nämlich sechzehn Stufen.« Keiner redete mehr etwas, bis alle vier eng zusamengedrängt am Fuß der Treppe standen. Dann leuchtete Edmund langsam mit seiner Lampe in die Runde. »Oh - oh - oh!« riefen alle Kinder auf einmal. Denn nun erkannten sie alle, es war wirklich die alte Schatzkammer von Feeneden, wo sie einst als Könige und Königinnen von Narnia regiert hatten. Ein Mittelgang, etwa so, wie man ihn in Treibhäusern hat, führte durch die Kammer. Zu beiden Seiten des Ganges und etwas voneinander getrennt standen reiche Rüstungen wie Ritter, welche die Schätze bewachen. Zwischen den Rüstungen und an den Seiten des Ganges befanden sich Borde, die mit kostbaren Dingen bedeckt waren mit Halsketten, Armreifen und Fingerringen, mit goldenen Gefäßen und Schalen, mit großen Elfenbeinzähnen, mit Broschen, Krönchen und Ketten von Gold. Dazwischen lagen Mengen ungefaßter Edelsteine, aufgehäuft wie Murmeln oder Kartoffeln
- Diamanten, Rubine, Karfunkel, Smaragde, Topase und Amethyste. Unter den Borden standen große, mit Eisenstangen verstärkte und mit schweren Vorhängeschlössern versehene Eichenholzkisten.
Es war bitter kalt und ganz still; die Kinder konnten ihren eigenen Atem hören. Die Schätze lagen unter einer so dicken Staubschicht, daß die Kinder sie kaum als solche erkennen konnten. Da sie nun aber wußten, wo sie sich befanden, erinnerten sie sich an die meisten Gegenstände. Es lag eine etwas traurige und ein wenig furchterregende Stimmung über dem Ort, und alles wirkte so uralt und verlassen. Darum sagte minutenlang keiner ein Wort. Dann allerdings begannen sie umherzugehen und die Dinge anzufassen, um sie zu betrachten. Es war, als begegneten sie alten Freunden. Wäret ihr dabeigewesen, so hättet ihr sie sprechen hören: »Oh, seht doch! Unsere Krönungsringe - weißt du noch, wie du ihn zuerst trugst? - Oh, dieses ist die kleine Brosche, die wir verloren glaubten. - Sag mal, ist das nicht die Rüstung, die du bei dem großen Turnier auf den Einsamen Eilanden anhattest? - Erinnerst du dich, daß der Zwerg sie für mich anfertigte? - Weißt du noch, wie wir aus diesem Horn da getrunken haben? Weißt du noch - weißt du noch?…« Aber plötzlich sagte Edmund: »Achtung. Wir dürfen die Batterie nicht vergeuden. Wer weiß, wie oft wir sie noch brauchen. Wollen wir nicht lieber das mitnehmen, was besonders wichtig ist, und wieder hinaufsteigen?« »Wir müssen die Gaben mitnehmen«, erklärte Peter. Damit meinte er gewisse Geschenke, die er und Suse und Lucy vor langer Zeit bei einem Weihnachtsfest in Narnia empfangen hatten und die ihnen mehr galten als das ganze Königreich. Edmund besaß keine solche Wertstücke, denn er war damals nicht bei seinen Geschwistern gewesen.
Alle stimmten Peter bei und gingen den Gang entlang bis zur Mauer am äußersten Ende der Schatzkammer. Dort hingen tatsächlich die Gaben. Lucys Eigentum war am kleinsten; es war nur eine kleine Flasche. Aber diese Flasche war nicht aus gewöhnlichem Glas, sondern aus Diamant gemacht und noch mehr als halb gefüllt mit einem stärkenden Zaubermittel, das jede Wunde und jede Krankheit heilt. Lucy schwieg und blickte sehr nachdenklich vor sich hin, als sie das Geschenk von seinem Platz nahm, sich den Riemen über die Schulter legte und nun die Flasche
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