Lewis CS - Narnia 4
Aslans Führung auf. Bacchus und seine Mädchen sprangen, rasten und schlugen Purzelbäume, und die Tiere hüpften um sie herum.
Sie wandten sich ein wenig nach rechts, liefen einen steilen Abhang hinab und sahen die lange Brücke von Beruna vor sich. Doch ehe sie diese überschreiten konnten, tauchte aus dem Wasser ein nasser, bärtiger binsengekrönter Kopf, größer als der eines Mannes. Er blickte Aslan an, und eine tiefe Stimme tönte aus seinem Munde.
»Heil, Herr«, sagte er, »löse meine Ketten.« »Du meine Güte, wer ist denn das?« fragte Suse flüsternd. »Ich glaube, das ist der Flußgott, aber still jetzt«, antwortete Lucy.
»Bacchus«, sprach Aslan, »befreie ihn von seinen Ketten.« Damit meint er gewiß die Brücke, dachte Lucy. Und so war es. Bacchus und seine Anhänger platschten in das seichte Wasser, und kurz darauf ereigneten sich höchst merkwürdige Dinge. Große, starke Efeuranken schlängelten sich um die Brückenpfeiler und wuchsen dabei rasch wie ein Feuer. Sie umwanden die Steine, zerbrachen, zerteilten und zerschmetterten sie. Die Mauern der Brücke verwandelten sich für eine kurze Weile in Hagedornhecken und verschwanden dann, als das ganze Bauwerk stürzend und krachend in den wirbelnden Wassern unterging. Kräftig um sich spritzend, kreischend und lachend wateten, schwammen und tanzten die Schwarmgeister durch die Furt (»Hurra, die Furt von Beruna ist wieder da«, riefen die Mädchen) und am anderen Ufer entlang bis in die Stadt. Überall in Beruna, wo sie auftauchten, flohen fast alle Menschen von den Straßen; nur einige wenige stießen zu ihnen. Als sie die Stadt verließen, waren sie eine größere und noch fröhlichere Gesellschaft.
Sie schwärmten über die ebenen Felder auf dem Nordufer, also dem linken Ufer des Flusses. Aus jedem Bauernhof kamen Tiere angelaufen, um sich ihnen anzuschließen. Traurige alte Esel, die niemals Frohsinn gekannt hatten, wurden plötzlich wieder jung. Kettenhunde zerrissen ihre Ketten; Pferde trampelten ihre Wagen in Stücke, trabten an ihrer Seite, warfen mit den Hufen Erdschollen hoch und wieherten.
An dem Brunnen eines Bauernhofes trafen sie auf einen Mann, der einen Jungen schlug. In des Mannes Hand trieb da der Stock Blüten. Er wollte ihn fallen lassen, doch blieb dieser an seiner Hand kleben. Sein Arm wurde ein Zweig, sein Rumpf der Stamm eines Baumes, seine Füße schlugen Wurzeln. Der Junge, der vor einem Weilchen noch geweint hatte, brach in Gelächter aus und schloß sich ihnen an.
Am Biberdamm kreuzten sie wieder den Fluß und kamen ostwärts auf das Südufer. Sie gelangten an eine kleine Hütte, in deren Tür weinend ein Kind stand. »Warum weinst du, mein Kind?« fragte Aslan. Das Kind, das noch niemals die Abbildung eines Löwen gesehen hatte, fürchtete sich nicht vor ihm. »Tantchen ist sehr krank«, sagte es. »Sie wird sterben.« Da bemühte sich Aslan, in die Tür der Hütte zu treten, aber sie war zu klein für ihn. Darauf zwängte er erst den Kopf hinein, schob dann mit den Schultern nach, wobei Suse und Lucy von seinem Rücken purzelten, und hob das ganze kleine Haus hoch. Es fiel wieder hinunter und brach auseinander. Da lag nun - immer noch in ihrem Bett, das jetzt im Freien stand - eine kleine alte Frau, die so aussah, als habe sie Zwergenblut in sich. Sie stand an der Schwelle des Todes. Als sie ihre Augen öffnete und das helle Löwenhaupt erblickte, das ihr ins Gesicht sah, schrie sie weder auf, noch fiel sie in Ohnmacht. Sie sagte nur: »Oh, Aslan. Ich wußte, daß es wahr ist. Ich habe mein ganzes Leben darauf gewartet. Bist du gekommen, um mich zu holen?« »Ja, meine Gute«, antwortete Aslan, »aber noch nicht auf die ganz lange Reise.« Während er sprach, kam gleich dem Rosenrot, das bei Sonnenaufgang die Wolke säumt, Farbe in ihr weißes Gesicht; ihre Augen bekamen Glanz, sie setzte sich auf und sagte: »Meine Güte, ich muß schon sagen, ich fühle mich sehr viel besser. Ich glaube, mir würde heute morgen ein kleines Frühstück guttun.«
»Hier ist es, Mütterchen«, bemerkte Bacchus, tauchte einen Krug in den Brunnen der Hütte und reichte ihn ihr. Aber im Brunnen befand sich nun kein Wasser mehr, sondern schwerer Wein - rot wie Johannisbeergelee, dickflüssig wie Öl, stark wie Fleischsaft, heiß wie Tee, kühl wie Tau. »Herrje, was hast du denn mit unserem Brunnen gemacht?« fragte die alte Frau. »Der hat sich aber sehr verändert; wirklich sehr viel besser ist er geworden.« Und damit sprang sie aus
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