Lewis, CS - Narnia 5
gestreckt. Und gerade als sie ihn anschauten, teilten sich die Wolken, die Sonne trat hervor underleuchtete die goldene Figur in ihrer ganzen Länge. Es war die schönste Statue, die Lucy jemals gesehen hatte.
»Meine Güte!« Kaspian stieß einen Pfiff aus. »Der weite Weg hat sich doch gelohnt! Ob wir sie wohl herausbekommen?«
»Wir können danach tauchen, Herr«, sagte Riepischiep.
»Das geht nicht«, wandte Edmund ein. »Zumindest nicht, wenn es tatsächlich Gold–massives Gold–ist. Dann ist es viel zu schwer. Und dieser Teich ist mindestens vier oder fünf Meter tief. Aber Moment mal! Gut, daß ich einen Jagdspeer mitgenommen habe. Laßt sehen, wie tief es hier wirklich ist. Halte meine Hand fest, Kaspian, während ich mich vorbeuge.«
Kaspian nahm seine Hand, und Edmund lehnte sich vor und begann, seinen Spieß ins Wasser hinabzulassen.
Bevor er noch zur Hälfte verschwunden war, sagte Lucy: »Ich glaube nicht, daß die Statue aus Gold ist. Es ist nur das Licht. Dein Speer hat genau die gleiche Farbe.«
»Was ist los?« fragten mehrere Stimmen auf einmal, denn Edmund hatte den Speer ganz plötzlich losgelassen.
»Ich konnte ihn nicht mehr halten«, keuchte Edmund. »Er schien plötzlich so schwer zu sein.«
»Da liegt er jetzt auf dem Grund«, sagte Kaspian. »Und Lucy hat recht. Er hat genau die gleiche Farbe wie die Statue.«
Edmund, der offensichtlich mit seinen Stiefeln Schwierigkeiten hatte–er bückte sich gerade und untersuchte sie–, richtete sich plötzlich auf und rief mit scharfer Stimme:
»Zurück! Weg vom Wasser! Alle! Sofort!«
Sie gehorchten und starrten ihn an.
»Seht her!« sagte Edmund. »Schaut euch die Spitzen meiner Stiefel an!«
»Sie sehen ein bißchen gelblich aus«, begann Eustachius.
»Sie sind ganz und gar golden!« unterbrach Edmund.
»Schaut sie euch an! Befühlt sie! Das Leder hat sich schon abgelöst. Und sie sind so schwer wie Blei.«
»Bei Aslan!« rief Kaspian. »Du willst doch wohl nicht sagen …«
»Doch, das will ich«, sagte Edmund. »Das Wasser verwandelt die Dinge in Gold. Es hat den Speer in Gold verwandelt, deshalb wurde er so schwer. Es ist lediglich gegen meine Füße geschwappt (glücklicherweise war ich nicht barfuß!), und schon haben sich die Stiefelspitzen in Gold verwandelt. Und dieser arme Kerl am Grund–na ja, ihr könnt euch ja vorstellen, was mit ihm geschehen ist.«
»Also ist es gar keine Statue«, sagte Lucy leise.
»Nein. Jetzt ist alles klar. Er war an einem heißen Tag hier. Er hat sich oben auf den Felsen ausgezogen–dort, wo wir gesessen haben. Die Kleider sind zerfallen, oder die Vögel haben sie mitgenommen, um ihr Nest damit auszupolstern; die Rüstung ist noch da. Dann ist er ins Wasser gesprungen und …«
»Hör auf!« sagte Lucy. »Wie schrecklich!«
»Um ein Haar hätte es uns auch erwischt«, sagte Edmund.
»Sehr richtig«, meinte Riepischiep. »Jedermanns Finger, jedermanns Schnurrbart oder jedermanns Schwanz hätte jederzeit mit dem Wasser in Berührung kommen können.«
»Wir können es trotzdem einmal nachprüfen«, schlug Kaspian vor. Er bückte sich und riß ein Büschel Heidekraut aus. Dann kniete er sich sehr vorsichtig an den Teich und tauchte es ein. Das Heidekraut, das er herauszog, war aus reinstem Gold und so schwer und so weich wie Blei.
»Der König, dem diese Insel gehörte, wäre schon bald der reichste König dieser Welt«, sagte Kaspian langsam, und sein Gesicht wurde ganz rot, während er sprach. »Ich erkläre diese Insel hiermit als zu Narnia gehörig. Sie soll den Namen Goldwasserinsel erhalten. Ich verlange absolutes Stillschweigen von euch. Keiner darf davon wissen. Nicht einmal Drinian–jede Zuwiderhandlung wird mit dem Tode bestraft!«
»Wem sagst du das eigentlich?« fragte Edmund. »Ich bin keiner deiner Untertanen. Eher ist es umgekehrt. Ich bin einer der vier Könige von Narnia, und du stehst unter dem Eid meines Bruders, des höchsten Königs.«
»So weit ist es also gekommen, König Edmund!« sagte Kaspian und legte die Hand auf den Griff seines Schwertes.
»Oh, hört auf, alle beide!« rief Lucy. »Das ist das Schlimmste, wenn man mit Jungen etwas unternimmt. Ihr seid angeberische und brutale Idioten–oooh! …« Ihre Stimme verwandelte sich in ein Keuchen. Und alle anderen sahen ebenfalls, was sie sah.
Über dem grauen Berg vor ihnen–er war grau, weil das Heidekraut noch nicht blühte–, geräuschlos und ohne sie anzusehen und so strahlend, als wäre er in
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