Lewis, CS - Narnia 5
hätten–die große Seeschlange. Die Krümmungen ihres riesigen Schwanzes, die sich hier und da über die Wasseroberfläche erhoben, konnte man bis weit in die Ferne sehen. Und jetzt überragte ihr Kopf schon den Mast.
Alle Männer rannten zu ihren Waffen. Doch es war zwecklos–gegen die Seeschlange konnten sie nichts ausrichten. »Schießt! Schießt!« rief der oberste Pfeilschütze, und einige gehorchten, doch die Pfeile prallten an der Haut der Seeschlange ab, als wäre sie aus Stahl. Dann standen alle eine schreckliche Minute lang reglos da, starrten zu den Augen und dem Maul des Ungeheuers empor und fragten sich bange, wo es sich wohl herabstürzen mochte.
Aber es stürzte sich nicht herab. Am Mast, in der Höhe der Rah, schoß sein Kopf über das Schiff. Jetzt ragte er genau neben der Kampfplattform auf. Die Schlange recktesich immer weiter vorwärts, bis ihr Kopf schließlich über der Steuerbordwand schwebte. Dann bewegte sich ihr Kopf wieder nach unten – nicht auf das bevölkerte Deck zu, sondern ins Wasser. Dadurch ruhte das ganze Schiff unter dem nach oben gewölbten Schlangenleib. Und fast sofort begann dieser Bogen kleiner zu werden: auf der Steuerbordseite lag die Seeschlange schon fast auf der Bordwand der »Morgenröte« auf.
Eustachius (der sich wirklich sehr angestrengt hatte, sich zu bessern, bis ihn der Regen und das Schachspielen wieder in sein altes Verhalten zurückgeworfen hatten) zeigte jetzt die erste mutige Tat seines Lebens. Er trug ein Schwert, das ihm Kaspian geliehen hatte. Sobald der Körper der Schlange auf der Steuerbordseite in Reichweite war, sprang er auf die Bordwand und begann mit aller Kraft, auf den Schlangenkörper einzuhacken. Es stimmt zwar, daß er dadurch nichts erreichte, abgesehen davon, daß er Kaspians zweitbestes Schwert ruinierte, aber für einen Anfänger war es immerhin eine schöne Leistung.
Die anderen hätten ihm beigestanden, wenn nicht Riepischiep in diesem Moment gerufen hätte: »Nicht kämpfen! Schieben!« Es war so ungewöhnlich, daß die Maus befahl, nicht zu kämpfen, daß sich ihr selbst in diesem schrecklichen Moment alle Augen zuwandten. Und als Riepischiep vor der Schlange auf die Reling sprang und sich mit seinem kleinen pelzigen Rücken gegen den riesigen, schuppigen und schlüpfrigen Körper stemmte und mit aller Kraft preßte, begriffen viele, was er meinte, und verteilten sich auf beiden Seiten des Schiffes, um das gleiche zu tun. Und als einen Augenblick später der Kopf der Schlange wieder erschien–diesmal an der Backbordseite und mit dem Rücken zu ihnen–, da verstanden es alle.
Das Ungeheuer hatte sich zu einer Schleife um die »Morgenröte« gelegt und begann jetzt, die Schleife festzuziehen.
Sobald die Schleife festgezogen war–schwupp–, würde das Schiff, zu hundert Einzelteilen zerbrochen, dahintreiben, und die Seeschlange könnte einen nach dem anderen aus dem Wasser fischen. Die einzige Möglichkeit war, die Schleife nach hinten zu schieben, bis sie über das Heck glitt; oder–so könnte man es auch ausdrücken–das Schiff nach vorne aus der Schleife herauszuschieben.
Allein hätte Riepischiep natürlich genausogut versuchen können, eine Kathedrale anzuheben, aber er hatte sich in seiner Anstrengung schon fast umgebracht, bevor ihn die anderen zur Seite stießen. Schon bald stand die ganze Schiffsmannschaft außer Lucy und der Maus (die war nämlich bewußtlos) in zwei langen Reihen an den beiden Bordwänden entlang. Jeder Mann stand mit der Brust gegen den Rücken seines Vordermannes gepreßt, so daß die ganze Last auf dem letzten Mann ruhte. Alle schoben um ihr Leben. Ein paar schreckliche Sekunden lang (die ihnen wie Stunden vorkamen) schien nichts zu geschehen. Gelenke knackten, Schweiß tropfte, keuchend wurde der Atem ausgestoßen. Dann spürten sie, daß das Schiff sich bewegte. Sie sahen, daß die Schlangenschleife weiter vom Mast entfernt war als zuvor. Aber sie sahen auch, daß die Schleife kleiner geworden war. Und jetzt drohte eine weitere Gefahr. Konnten sie die Schleife über das Achterdeck hinwegschieben, oder war sie schon zu eng? Ja. Sie paßte gerade noch darüber. Sie ruhte auf dem Geländer des Achterdecks. Ein Dutzend Männer oder mehr stürzten auf das Achterdeck. Jetzt ging es viel besser. Der Körper der Seeschlange lag nun so tief, daß die Männer sich nebeneinander aufstellen und Seite an Seite schieben konnten. Sie begannen Hoffnung zu schöpfen, bis ihnen das hochgezogene
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