Lewis, Michael
niemals zurückzahlen konnten.
»Ich bin absolut davon überzeugt, dass es im letzten Akt dieses Stücks um eine
Krise unserer Finanzinstitutionen gehen wird, die solche Dummheiten machen«,
schrieb er im April 2003 einem Freund, der sich gefragt hatte, weshalb das
vierteljährliche Rundschreiben von Scion Capital an seine Investoren dieses Mal
so pessimistisch klang. »Ich habe einen Job. Ich muss Geld für meine Kunden
erwirtschaften. Punkt. Aber es ist schon irgendwie krank, auf Investitionen zu
setzen, bei denen man das dicke Geld macht, wenn eine Tragödie passiert.« Im
Frühjahr 2005 hatte er vor allen anderen Investoren herausgefunden, welche
Katastrophe am wahrscheinlichsten war, als er ausdrücklich und in erheblichem
Umfang gegen Subprime-Hypothekenanleihen spekulierte.
Nun,
im Februar 2007, erreichten Ausfälle bei minderwertigen Krediten Rekordhöhe,
die Finanzunternehmen zeigten sich von Tag zu Tag weniger stabil, und niemand
außer ihm selbst konnte sich noch erinnern, was er gesagt und getan hatte. Er
hatte seinen Investoren mitgeteilt, dass sie Geduld brauchten - dass sich die
Spekulation erst dann auszahle, wenn bei den 2005 gewährten Hypotheken die Lockzinsphase
abgelaufen wäre. Doch sie hatten sich nicht an seinen Rat gehalten, sondern
waren unruhig geworden. Viele seiner Investoren hatten kein Vertrauen mehr zu
ihm, und er wiederum fühlte sich von ihnen betrogen. Zu Beginn des Dramas hatte
er das Ende vorhergesehen, doch keinen der Akte dazwischen. »Am besten wäre
ich vermutlich schlafen gegangen und erst 2007 wieder aufgewacht«, sagte er.
Um seine Wette gegen Subprime-Hypothekenanleihen aufrechtzuerhalten, war er
gezwungen gewesen, seine halbe Belegschaft zu entlassen und Spekulationen in
der Größenordnung von Milliarden US-Dollar gegen die Unternehmen aufzugeben,
die am engsten am Markt für Subprime-Hypothekenanleihen dran waren.
Mittlerweile war er isolierter als je zuvor. Das Einzige, was sich geändert
hatte, war seine Erklärung dafür.
Es
war noch gar nicht so lange her, dass ihn seine Frau in die Praxis eines
Psychologen geschleppt hatte, der seinen Abschluss in Stanford gemacht hatte.
Der Vorschullehrer ihres vierjährigen Sohns Nicholas hatte
Verhaltensauffälligkeiten bei ihm festgestellt, die abgeklärt werden mussten.
Nicholas hielt im Gegensatz zu den anderen Kindern kein Mittagsschläfchen. Er
konnte sich nicht konzentrieren, wenn sein Lehrer etwas erklärte - ganz gleich,
wie lang das dauerte. Er lief ständig auf Hochtouren. Michael Burry musste sich
ganz schön zusammenreißen, um nicht in die Offensive zu gehen. Schließlich war
er selbst Arzt, und er vermutete, dass der Lehrer versuchte, ihm mitzuteilen,
dass er nicht erkannt hatte, dass sein Sohn an einem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom
(AHDS) litt. »Während meiner Zeit als Assistenzarzt hatte ich in einer Klinik
für AHDS-Betroffene gearbeitet und war deshalb der Überzeugung, dass diese
Diagnose viel zu oft gestellt wurde«, erklärte er. »Diese Diagnose war quasi
die Rettung für viele Eltern, die einen medizinischen Grund brauchten, um ihr
Kind ruhigstellen zu lassen oder das ungezogene Verhalten ihres Kindes zu
erklären.« Er dachte zwar auch, dass sein Sohn anders sei als die anderen
Kinder, aber auf gute Weise anders. »Mein Sohn stellte mir Hunderttausende von
Fragen« berichtete Barry. »Und ich habe ihn darin bestärkt, denn ich war in
seinem Alter genauso und wollte immer alles wissen. Ich weiß noch genau, wie
frustriert ich war, wenn es dann hieß, ich solle ruhig sein.« Doch nun beobachtete
er seinen Sohn genauer und stellte fest, dass er zwar sehr klug war, aber Probleme
mit sozialen Kontakten hatte. »Wenn er versuchte, mit anderen Kindern zu
interagieren, reagierten die genervt auf ihn, obwohl er gar nichts Schlimmes
gemacht hatte.« Nach dem Gespräch mit dem Psychologen kam er nach Hause und
beruhigte seine Frau: »Mach dir keine Sorgen. Unserem Jungen geht es gut. Es
ist alles in Ordnung mit ihm.«
Seine
Frau starrte ihn an und wollte wissen: »Woher weißt du das?«
Wie
aus der Pistole geschossen antwortete Dr. Michael Burry: »Weil er so ist wie
ich. Ich war als Kind genauso!«
Ihr
Antrag auf einen Platz im Kindergarten wurde von mehreren Stellen ohne jede
Erklärung abgelehnt. Auf hartnäckige Nachfragen seitens Burry erklärte man ihm,
dass sich bei seinem Sohn grob- und feinmotorische Defizite gezeigt hätten.
»Bei Tests, bei denen es ums Malen oder das Ausschneiden mit einer Schere
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