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Lewis, Michael

Lewis, Michael

Titel: Lewis, Michael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: The Big Short
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ging,
hat er wohl recht schlecht abgeschnitten«, erzählte Burry. »Keine große Sache,
dachte ich. Ich zeichne noch immer wie ein Vierjähriger, und ich hasse jede
Form von Kunst.« Doch um seine Frau zu beruhigen, stimmte er zu, sein Kind
testen zu lassen. »Da kommt eh nur heraus, dass er ein intelligenter Junge
ist, vom Typ her wie ein vertrottelter Professor, der mitunter geistig abwesend
ist.«
    Stattdessen
ergaben die von einer Kinderpsychologin durchgeführten Tests, dass ihr Kind am
Asperger-Syndrom litt. Ein klassischer Fall, lautete ihre Diagnose. Sie empfahl
ihnen, ihren Sohn auf eine Förderschule zu schicken, da er in der klassischen
Schullaufbahn zu viele Probleme haben würde. Dr. Michael Burry war wie vor den
Kopf geschlagen. Er kannte das Asperger-Syndrom zwar vom Namen her aus seinem
Medizinstudium, konnte sich aber nur noch vage an das Krankheitsbild erinnern.
Seine Frau drückte ihm nun einen Stapel Bücher über Autismus und verwandte
Erkrankungen in die Hand. Ganz obenauf lagen die Titel Ein ganzes Leben mit dem
Asperger-Syndrom und Das
Asperger-Syndrom: Wie Sie und Ihr Kind alle Chancen nutzen: Das erfolgreiche
Praxishandbuch für Eltern und Therapeuten, beide von Tony Attwood, einem
klinischen Psychologen.
    »Auffällige
Störung im Hinblick auf multiple nonverbale Verhaltensmuster wie
Blickkontakt...«
    Trifft
zu.
    »Kann
keine Beziehung zu Gleichaltrigen aufbauen...« Trifft zu.
    »Keine
spontane Kontaktaufnahme mit anderen, um Freude, Interesse oder Leistungen mit
ihnen zu teilen...« Trifft zu.
    »Hat
Schwierigkeiten, soziale/emotionale Botschaften in den Augen seiner Mitmenschen
zu lesen...« Trifft
zu.
    »Emotionale
Steuerungs- oder Kontrollmechanismen bei Gefühlen wie Wut sind mangelhaft
ausgebildet.,.« Trifft zu.
    »Die
Gründe, weshalb Computer eine so hohe Anziehungskraft ausüben, liegen zum
einen darin, dass man nicht mit ihnen reden oder in Kontakt treten muss-, zum
anderen sind sie logisch, immer gleichbleibend und haben keine
Stimmungsschwankungen. Deshalb sind sie das ideale Interessengebiet für
Menschen mit Asperger-Syndrom...«
    Trifft
zu.
    »Viele
Menschen gehen einem Hobby nach ... Der Unterschied zwischen normaler
Intensität, mit der es ausgeübt wird, und dem fast an Besessenheit grenzenden
Ausmaß bei Menschen, die am Asperger-Syndrom leiden, ist der, dass Letztere
ihre Hobbys oft nur allein und auf idiosynkratische Weise verfolgen und dass
ihre Hobbys ihre Zeit bestimmen und das Gesprächsthema Nummer eins sind.« Trifft zu... Trifft zu...
Trifft zu...
    Nach
ein paar Seiten wurde Michael Burry klar, dass er nicht seinen Sohn in diesen
Beschreibungen wiedererkannte, sondern sich selbst. »Wie vielen Menschen
passiert es schon, dass sie ein Buch lesen und darin eine Anleitung für ihr
ganzes Leben finden?«, sagte er. »Ich habe es gehasst, dass mir ein Buch
erzählte, wer ich bin. Ich dachte immer, ich sei anders als die anderen, aber
in diesem Buch stand, dass ich auch nicht anders sei als andere. Meine Frau und
ich waren ein typisches Asperger-Paar, und unser Sohn war ein Asperger-Kind.«
Er konnte sein Glasauge nicht mehr als Erklärung für alles Mögliche heranziehen;
es war schon erstaunlich genug, dass er mit so einer Begründung überhaupt
durchgekommen war. Wie erklärte ein Glasauge, dass ein begeisterter Schwimmer,
der an Schwimmwettbewerben teilnimmt, panische Angst vor tiefem Wasser hat -
nackte Angst davor, was alles in der Tiefe auf ihn lauern könnte? Wie erklärt
ein Glasauge, dass er als Kind leidenschaftlich gerne Geldscheine gewaschen
hat? Er nahm die Dollarnoten, wusch sie, tupfte sie mit einem Handtuch ab und
legte sie zum Trocknen in ein Buch, das er dann mit anderen Büchern beschwerte
- und nach einigen Tagen war er stolzer Besitzer von ganz »neuen« Geldscheinen.
»Mit einem Mal war ich nur noch eine Karikatur meines Selbst«, beschrieb Burry
seine Gefühle. »Ich war schon immer gut darin, Lernstoff zu pauken und dann die
Note eins dafür zu bekommen. Ich dachte mir immer, das sei eine besondere Gabe,
die ich da hätte. Doch jetzt ist es nur noch: >Oh, es gibt viele Leute mit
Asperger-Syndrom, die das auch können.< Nun wurde mein Ich, mein ganzes
Wesen, anhand eines Krankheitsbildes beschrieben.«
    Er
wehrte sich gegen diese neuen Erkenntnisse. Es war ein Leichtes für ihn, sich
in ein Thema, das ihn fesselte, förmlich hineinzuverbeißen und Informationen
darüber aufzustöbern und zu analysieren. Und er hatte sich schon immer für

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