Lewis, Michael
verdienen. Die laufenden Auseinandersetzungen um den
Wert der Aktien eines großen börsennotierten Unternehmens sind da deutlich
weniger ergiebig, weil Käufer wie Verkäufer den angemessenen Preis für die
Aktie vom Ticker ablesen können und die Provisionen der Makler durch den
Wettbewerb nach unten gedrückt wurden. Doch die abweichenden Ansichten über den
Wert von Credit Default Swaps auf Subprime-Hypothekenanleihen - ein komplexes
Wertpapier, dessen Wert sich von einem anderen komplexen Wertpapier ableitete
- waren eine potenzielle Goldgrube. Der einzige andere Händler, der in großen
Umfang Geschäfte mit Credit Default Swaps machte, war Goldman Sachs. Anfangs
gab es also wenig Konkurrenz. Das Angebot war dank AIG praktisch unbegrenzt.
Das Problem bestand in der Nachfrage: Man brauchte Investoren, die in Mike
Burrys Fußstapfen traten. Es war unglaublich: An diesem entscheidenden
Wendepunkt in der Finanzgeschichte, der so schnell so viel verändern sollte,
war der einzige Engpass auf dem Markt für minderwertige Hypotheken der Mangel
an Menschen, die dagegen spekulieren wollten.
Um
Investoren die Wette gegen Subprime-Hypothekenanleihen schmackhaft zu machen -
den Kauf seines Bestands an Credit Defaults Swaps -, brauchte Greg Lippmann ein
neues, besseres Argument. Hier kam der »Great Chinese Quant« ins Spiel.
Lippmann bat Eugene Xu, die Auswirkungen steigender Eigenheimpreise auf
zweitklassige Hypothekendarlehen zu untersuchen. Eugene Xu setzte sich hin und
tat, was immer der zweitklügste Mann in China so tut, und kam schließlich mit
einem Diagramm wieder, das die Ausfallquoten unter verschiedenen
Hauspreisszenarien aufzeigte: bei steigenden Preisen, bei gleichbleibenden
Preisen und bei fallenden Preisen. Lippmann warf einen Blick darauf... und
traute seinen Augen kaum. Die Zahlen schockierten ihn. Sie mussten gar nicht
einbrechen. Sie mussten nur aufhören, so schnell anzuziehen. Noch stiegen die Häuserpreise,
doch die Ausfallquoten erreichten schon 4 Prozent. Wenn sie nur auf 7 Prozent kletterten,
waren die niedrigstwertigen Anleihen - die mit der Note BBB- - nichts mehr
wert. Sobald sie 8 Prozent erreichten, würden die am nächstniedrigen bewerteten
BBB-Anleihen ausfallen.
Von
diesem Moment an - im November 2005 - störte es Greg Lippmann plötzlich überhaupt
nicht mehr, auf einem Berg von Credit Defaults Swaps auf
Subprime-Hypothekenanleihen zu sitzen. Das waren keine Versicherungen, sondern
Jetons am Spieltisch. Und die Gewinnquoten sagten ihm zu. Auf einmal war er gerne in Short-Position.
Das
war neu. Greg Lippmann hatte seit 1991 mit Anleihen gehandelt, denen
verschiedene Verbraucherkredite zugrunde lagen - Autokredite,
Kreditkartenforderungen, Eigenheimdarlehen. Damals hatte er nach seinem
Abschluss an der University of Pennsylvania einen Job bei der Credit Suisse
angenommen. Doch er war nie in der Lage gewesen, solche Titel leerzuverkaufen,
da man sie nicht leihen konnte. Wie jeder andere Händler mit
forderungsbesicherten Papieren hatte er die Wahl gehabt, diese nur gut zu
finden oder großartig. Eine negative Haltung verbot sich von selbst. Jetzt war
er in der Lage, sich konträr zu positionieren, und tat es prompt. Doch dadurch
grenzte er sich aus - und das stellte für Greg Lippmann ein neues
Karriererisiko dar. Wie er anderen erzählte: »In einem Geschäft, in dem man nur
einen Kurs einschlagen kann, können Vorgesetzte schwerlich aufbrausen, wenn es
mal nicht läuft.« Nun konnte er einen anderen Kurs einschlagen, doch wenn er
sich gegen Subprime-Hypothekenanleihen stellte und damit falsch lag, würden seine
Chefs hundertprozentig sauer werden.
Im
rechtschaffenen Geist eines Mannes, der eine unbequeme Wahrheit vertritt,
stürzte sich Greg Lippmann mit einem Exemplar von »Shorting Subprime Mezzanine
Tranches« unter dem Arm auf das institutionelle Anlegerpublikum. Sein
Ausgangspunkt bei der Analyse des Marktes für zweitklassige Hypotheken mochte
der eines Wall-Street-Verkäufers gewesen sein - nicht die Suche nach der
Wahrheit, sondern eher die nach einem überzeugenden Verkaufsargument. Doch
jetzt hatte er überraschenderweise einen genialen Plan, seine Kunden reich zu
machen, wie er meinte. Natürlich würde er ihnen für den Ein- und Ausstieg aus
Credit Default Swaps hohe Gebühren berechnen, doch die würden sich im
Vergleich zu dem Vermögen, das sie verdienen konnten, als belanglos ausnehmen.
Er war kein Verkäufer mehr. Er erwies Gefälligkeiten. Seht, ich habe ein
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