Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
Vom Netzwerk:
mit meiner
Schwester. In meiner Schwester wittern sie die Konkurrentin, eine Erosdienerin,
die im Halbschlaf plaudert und von jedem Mann leicht zu wecken ist; mich nehmen
sie diesbezüglich nicht für voll. So auch hier. Von der Hausherrin ernte ich
das Wenige an Zuneigung, das sie für eine Frau gerade noch erübrigen kann.
    Mit
einem kleinen Hundeschwatz will ich uns aus der Klemme führen und bringe es
sogar fertig, den fipsigen Köter in ihren Armen zu loben. Der zittert und
zittert. Sie setzt ein strichdünnes Lächeln auf: Roxy and Kato are very good
friends. Mir leuchtet zwar nicht ein, weshalb ein Molosser, Schulterhöhe
einsvierzig, einsfünfzig, mit dieser hysterischen Ratte befreundet sein soll,
aber natürlich widerspreche ich nicht, sondern finde es süß.
    Kato
starrt mich aus rausgeschraubten Augen an.
    Ich
mache ein bisschen haha, nicht immer an den korrekten Stellen. Die ist eine Granate,
denke ich, der personal trainer in Sachen Grausamkeit und Geschäft. Halbgarer
Mann mit Überbiß. Knallhartes Weib. Roxy! flüstere ich. Kato antwortet mit
einem Kläff. Roxy lässt die Schnauze am Boden, nur ihre Stirnfalten ziehen sich
hoch, und ja, für einen Moment trifft mich ihr sanftes, braunrotes Auge.
    Meine
Schwester plaudert vor sich hin, das plätschert ins Unbestimmte, ich kann mich
unmöglich darauf konzentrieren. Keine Bücher im Haus. Haben
wir heute nicht den 24. Mai? Fest des bulgarischen Schrifttums, Fest der bulgarischen
Bildung und Kultur, Fest von Konstantin Kyrill, dem Philosophen, und seinem
Bruder Method? Des von ihnen geschaffenen Alphabets? Altbulgarisches Schrifttum
undsoweiter? (Dass die berühmten Brüder niemals im Land waren und ihre Schüler
das Alphabet entwickelt haben, wird von den Bulgaren gern vergessen.)
    Herrgottzack,
wahrscheinlich kein einziges Buch in diesem Haus. Das ist eine Kampfansage,
das ist die Weigerung, von den Toten zu lernen.
    Und
du? Was gelernt? Wie gelernt? Was willst du überhaupt. Was? Dunstschichten
über dem Meer, Schicht auf Schicht, das schieiert so. Sonne tief unten. Das
sticht. Was gelernt? Von wem? Alles falsch. Kinder eines Homunkulus sind wir.
Der Plural von Homunkulus, Homunkuli?
    Jetzt
geht das Gehämmere los, die Migräne hämmert's rein: falsch. Alles falsch. Wir
hatten die richtigen Eltern, sind aber die falschen Kinder. Grundfalsche
Kinder. Saudumme Kinder. Brave, ängstliche, saudumme Kinder. E-kel-erre-gen-de
Kinder.
    Vor
lauter Weißnichtwieweg von diesem Gehämmere nehme ich noch einen Schluck
Campari, einen gewaltigen, ein Teil schwappt über und läuft zu den Mundwinkeln
runter, Roxy wirft mir einen Blick zu, einen grundgütigen, was täte ich ohne
dich, Roxy. Herrschaftssechser, grundfalsche Kinder, fromme, doofe Kinder,
unsere Eltern hätten Terroristen gebraucht, nicht diese doofen frommen Kinder,
die sie gekriegt haben, keinen Moment der Ruhe hätten wir ihnen gönnen dürfen,
wir hätten sie aufbringen, aufreiben, aufkratzen müssen, spätestens mit vier
hätten wir uns wie Stalinisten, Maoisten, Faschisten aufführen müssen, Empo-rio-
nein, Empi-ri-o-kritizismus, zwölf, vierzehn,
achtzehn Buchstaben, Was tun, schön
kurz, Über die Linie, auch
kurz, Das Übel an der Wurzel packen, zu
lang zum Zählen, beschwichtigt haben wir statt dessen, waren brav, dass es einem
zum Hals rauskommt, Schluss damit, aber nein, Roxy ist auch brav, o ja, Roxy
brav und schön, zum Faltenkriegen schön, grau auch, nein nicht rauchgrau -
glanzgrau, so ein Spe-he-zialglänzerfell, achtzehn Buchstaben, für extrafromme
Charaktere, die - die - leuchten wie-hie -
    Sofort
aufs Klo. (Drei Buchstaben.) In einer verfluchten Minute bin ich fällig. Meine
Schwester erkundigt sich nach dem Weg. Ich merke noch, Roxy steht auf und
begleitet mich bis zur Türschwelle, der Diener weist mir den Weg. Jetzt nützt
eisernes Gehen nichts mehr. Jetzt heißt es unauffällig beschleunigen. Noch
gehen, aber noch nicht rennen. Da ist sie, die Tür, Tür zu. Klodeckel hoch und
raus.
    Das
hämmert, das schrillt, ich taumele, trotzdem ist mir leichter, und natürlich,
brav geputzt wird mit angefeuchtetem Klopapier, obwohl mir beim Runterbeugen
sofort wieder schlecht wird. Beim Aufrichten der Nachknall, als würde die
Schädelnaht gesprengt. Wasser ins Gesicht. Mund ausspülen. Warum habe ich denen
nicht glatt auf den Tisch gekotzt, frage ich mich auf dem Rückweg. Warum bin
ich erst mit zwölf wild geworden und habe versucht, unsere Mutter verrückt zu
machen, Mutter, die

Weitere Kostenlose Bücher