Lewitscharoff, Sibylle
Bank. Schwertknäufe, die in gebogene
Widderköpfe ausgehen. Stangen mit Aufsätzen in Form von Hirschköpfen. Der
Oberteil eines bronzenen Helms mit Kopfnaht und einem Bürzel hinten, etwas
klein für heutige Bulgarenschädel. Eine durchlöcherte, versilberte Beinschiene
schwebt über ihrer schwarzen Stele und rückt damit in die Klasse eines
magischen Objekts, mit dem man Beinweh heilen könnte.
Gekreuzte
Schwerter an den Wänden, aber auch ein schwarzer Filzmantel, belegt mit lauter
Goldplättchen. In den Vitrinen ist eine Sammlung Pfeilspitzen ausgebreitet, die
ordnungsliebende Hände fächerförmig auf ein Tuch genäht haben, auch
lanzettartige Goldbleche in Fischform sind dabei und viele, viele Besatzbleche
von Zaumzeugen und Sätteln. Jede Menge Münzen, Sporen, Gebißstangen. Dann kommt
das Prunkstück der Sammlung: ein entzückender goldener Reiter mit flatterndem
Gewand, der auf etwas eindrischt, das weggebrochen ist.
Wahrscheinlich
hat man ganze Kurgane für Saschko ausgewühlt und ihm die Schätze kniend
dargereicht.
Laut
Rumen hatte Saschkos Vater eine Affäre mit der exzentrischen Tochter von
Schiwkow, Ludmilla. Ludmilla, das korpulente Mordsmädchen mit der mickrigen
Stimme, glaubte an die Heilkraft magischer Steine, an die Magie heiliger
Bulgarenschätze, vor allem aber an die prophetische Kraft ihrer selbst. Was
archäologische Grabungen in den siebziger, achtziger Jahren zutage gefördert
hatten, ließ sie sich persönlich vorlegen und las es als Zeichen. Sie war davon
überzeugt, ein tausendjähriges Wunderreich der Bulgaren stünde nahe bevor.
Nach einem Unfall trug sie in der Öffentlichkeit einen Turban um den Kopf
geschlungen, vielleicht, um zu verbergen, dass mit diesem Kopf etwas nicht mehr
ganz richtig war. Man munkelte, eine Silberplatte sei in die Hirnschale eingepasst
worden. Ein tatarischer Silberplattenmythos wie bei Joseph Beuys. Ludmillas
Kopf ruhte und rastete nicht, bis er für Ludmilla eine Genealogie ausgetüftelt
hatte, die bis ins Jahr 324 vor Christus zurückreichte. Sie bescherte der
Familie Schiwkow bedeutsame Wurzeln, soll doch einer ihrer Vorfahren ein
herausragender Krieger unter Alexander dem Großen gewesen sein, ein
thrakischer Modellkrieger, der seine Braut bei der Massenvermählung von
zehntausend Soldaten mit zehntausend persischen Bräuten gewann, jener
symbolträchtigen eurasischen Völkerverschmelzung, die Alexander gestiftet
hatte.
Weiter
geht's, der Hausherr schreitet in seinem weißen Gewand voran, und, ach ja, der hat sich bisher gar nicht gemeldet, hat vollkommen ruhig in
einer Ecke gelegen: ein grauer Molosserhund erhebt sich, wahrscheinlich ein Neapolitaner,
und trottet, nachdem er beim Aufstehen einen Batzen Spucke aus seinen Falten
verschüttelt hat, hinter seinem Herrn her. Ein friedfertiges Tier, schwer
aufzuregen. Mich fasziniert er sofort, ich erkundige mich bei Trendafilow nach
seinem Namen: Roxy, eine Dame also, die auch brav stehenbleibt und schaut, als
ich Roxy zu ihr sage.
Der
nächste Raum ist ebenfalls nieder und breit, jedoch von einer flachen Kuppel
überwölbt, mit einer Holzsonne, umringt von Holzsternen auf dunkelblauem Grund.
Kühl
hier drin.
Im
Stil wird die Mitte gehalten zwischen einem orientalischen Empfangsraum, dem
Wohnzimmer eines reichen Bauern und einer Bärenjägerhütte. Sollten Gäste in
ganzen Haufen hereinströmen, säßen sie bald auf umlaufenden Diwanen und
streckten die Füße unter die niederen Tische. Etwas von einem Tempel hat der
Raum auch. Zwei Tempelstufen führen zu den abgetrennten Arkaden vor den Fenstern.
Hölzernes Schnitzwerk um die erhöhten Sitze dort. Pelziges und Dickes an den
Wänden, Bärenfelle, Webzeug mit Troddeln, dazwischen Trachtengürtel mit
schweren Behängen.
Es
geht einige Stufen hinab. Nach dem nächsten Durchgang ist der Boden
pfirsichfarben gekachelt, die Wände sind glatt und auch pfirsichfarben, wir
durchqueren einen modernen Raum, mit Freischwingern, grasgrünen Clubsesseln
und einer riesigen Bar mit hunderten von Flaschen, zwischen roten und goldenen
Halbsäulen ordentlich aufgereiht. Davor ein Tresen mit Blattgoldquadraten.
Wären die vielen Flaschen nicht, könnte man das für den großzügigen Vorraum
eines Starfriseurs nehmen, Hochglanzmagazine liegen in Stapeln herum. Nirgendwo
ein Buch.
Und
- nein, ich glaube es nicht: an der Wand gegenüber - Jackie! Tatsache! Jackie
aus der Jackie-Serie von Warhol, ich steuere sofort darauf zu, offenbar eine
frühe Serie, Andy Warhol,
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