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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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den
Gängen im Getriebe herum, dass mir schlecht wird. Wir fahren bergauf, eine
frisch geteerte Straße, die in Kurven einen etwas außerhalb im Norden gelegenen
Hügel umrundet. Eine Zeitlang fahren wir an einer hohen Mauer vorüber, frisch
verputzt, mit ziegelrotem Anstrich, dann halten wir vor einem Tor.
    Mit
einem Tor und dass es bewacht sein würde, haben wir gerechnet. Auch mit
Kameras. Nicht gerechnet haben wir mit einer über vier Meter hohen schweren,
zweiflügligen Metallkonstruktion, die ein Burgtor nachahmt mit herausgetriebenen
Querbalken und vorstehenden Nagelköpfen.
    Ich
bin seit biblischen Zeiten da, sagt das Tor, obwohl es höchstens drei Jahre alt
ist.
    Rumen
steigt aus und spricht in einen Apparat, da schwingen die Flügel zur Seite, und
zwei Wachposten, elektronisches Gerät um die Köpfe, Gewehre im Anschlag,
präsentieren sich. Wir wissen nicht recht, was tun, auch Rumen ist verwirrt,
weil die beiden Männer so unbeweglich dastehen. Er setzt sich ins Auto und
würgt den Motor ab. Dann winkt uns einer der Posten durch. Im Schleichgang
fährt Rumen den Weg entlang bis vors Haus. Die Auffahrt wirkt nicht mehr
burgähnlich, sie hat etwas Schloßartiges, den Weg flankierend stehen zwei
Pavillons, allerdings keine von der luftdurchlässigen, französisch zierlichen
Sorte, sondern blockhafte Gebilde, entfernt an preußische Wachhäuser
erinnernd, die man unbegreiflicherweise ins Oktogon zerzogen hat. Es blüht
überall wie wild, als wären die Rabatten mit Champagner begossen worden. Das
Gebäude ist extrem langgestreckt, ein Sockel von Natursteinen, darüber braun
und dunkelblau abgegrenzte Flächen, im zweiten Stock wölben sich gegliederte
Fenstervorbauten heraus.
    Ganz
in Weiß, gemessenen Schrittes, kommt uns ein Mann entgegen, der Hausherr, wie
sich herausstellt. Er fingert schon an Rumen herum, als dieser noch kaum ausgestiegen
ist, küßt ihn, kneift ihn in die Wangen. Garantiert echte bulgarische Gesten.
Da reiben sich behaarte Brustkörbe aneinander, Hände schlagen auf
Schulterblätter, Dröhnen, Stöhnen, Jauchzen, das Drama der wiedergefundenen
Herzen wird nach allen Regeln der Kunst aufgeführt.
    Ich
sage zu meiner Schwester: Gelobt seien die Engländer, die einem nur höchst
widerwillig die Hand geben.
    Uns
gibt Trendafilow artig einen Handkuß und verkündet in knatterndem Englisch:
Frrends of Rumen my frrends.
    Wir
nehmen Witterung auf. Einen Mann deuten, der andere umgelegt und dabei
gewonnen hat, das reizt.
    Er
riecht nach einem, der sich für das Maß aller Dinge hält. Kein Urviech, aber
noch urtümlich genug, um den Geruch des eigenen Gemächts nicht zu scheuen.
Erstaunlicherweise für einen Bulgaren geht er nicht in einer Wolke von
Rasierwässern einher. Das längere, schwarzglänzende Haar trägt er
zurückgestriegelt, sein locker fließendes Hemd hätte, wenn es schwarz gewesen
wäre, auch einem Popen gehören können. Er ist weder fett noch dürr, weder groß
noch klein; kein Zug ist an ihm herausgetrieben, eher wie einen Schnörkel hält
er sich dies lange, zurückgeklebte Haar. Aber halt, da ist doch etwas. Saschko
hat einen zarten Überbiß, so ziemlich die ungefährlichste Zahnstellung, die ein
Mann haben kann. Wer nichts von ihm weiß, könnte ihn für einen alles in allem
sympathischen Kerl nehmen.
    Der
Hausherr führt uns in eine niedere, aber enorm breite Halle, Fußboden aus
Natursteinen, darüber persische Teppiche, bestimmt keine schlechten. An den
Seiten stehen merkwürdige Dinge zur Schau, teils in Vitrinen, teils frei
aufgepflanzt und durch ein Punktlicht erleuchtet wie in einem ethnographischen
Museum, lauter Dinge, die von verschiedenen Völkern im Lauf ihrer Kämpfe
hervorgebracht wurden und wieder in die Erde gesunken sind: Teile von
Rüstungen, Waffen, Geschirren.
    Wir
sind gehalten, uns in Ruhe umzuschauen, Saschko erklärt Rumen Objekt für
Objekt, und danach empfangen wir von Rumen die Erklärungen zu den
griechischthra-kischrömischen Reiterschlachten, deren Überbleibsel dem
bulgarischen Boden entrissen worden sind.
    Eine
Zerfleischungsszene mit Löwe und Hirsch auf einer Steinstele. Ein steinerner
Pferdekopf, dem die Mähne wie eine Bürste hochsteht, sein Maul aufgesperrt wie
zu einem empörten Schrei, ein feines Nervengeflecht zieht sich um seine Nase.
Da warten bauchige Amphoren in ihren Ständern auf die Antwort, weshalb man sie
so groß erschaffen hat, ohne dass sie von selbst stehen können. Ein Steintisch
mit Drachenfüßen, niedrig wie eine

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