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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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Sixteen Jackies 1964, das postkartengroße Schild daneben verkündet es stolz, sechs
lächelnde Jackies mit weißer Pillbox, zehn Jackies als Witwe, schöner noch als
die lächelnde - schwarz, aufrecht und um den Mund weich verschwebt und woanders. Holy Jackie, Holy Time in Eternity, Holy Eternity in Time, wie
Allen Ginsberg in glücklichen LSD-Tagen einst psalmodierte.
    In
einem Museum ginge ich mit kurzem Blick daran vorüber, hier aber - ich merke,
wie die Erregung das Kopfweh aufjagt, einen Moment wird mir schwindlig. Mit
meiner Schwester kann jetzt nicht geredet werden, zwar ist sie vom Raumwechsel
überrascht, aber die Stellen im Tagebuch hat sie noch nicht gelesen. Rumen
begreift. Saschko lächelt ölig, er sagt nichts, kostet die allgemeine
Verblüffung aus und geht, sobald er genug davon hat, uns voran nach draußen.
    Wieder
kommt ein alter Bekannter in Sicht: der nächste Pool. Diesmal ein großer.
Flirrender, glitzernder, prächtiger Riesenpool, gesäumt von Palmen in Kübeln.
Eine Frau sitzt unter einem Sonnenschirm, ein Chihuahua springt von ihrem
Schoß, so ein Kläff-Kläff-Kläffer von der übelsten Sorte, heiser, neurotisch,
der hört überhaupt nicht mehr auf, tut so, als fahre er auf Rumens Hosenbeine
los. Mit jedem Schritt, den Rumen vorwärts macht, verdrückt er sich schrill
aufkläffend nach hinten, springt schließlich zurück auf den Schoß und grollt
und knurrt von da aus weiter. Währenddessen steht der Mastino reglos wie eine
Skulptur und schaut Richtung Meer.
    Das
Gebäude, das vorne ein gerader Riegel ist, öffnet sich hinten als halbes Oval
mit Balustrade in eine weite Anlage hinein. Ich flüstere vorne
Wiedergeburt, hinten Washington meiner Schwester zu,
aber das trifft es wohl nicht ganz. Der Pool liegt als Blickfänger in der
Mitte. Der Rasen ist grüner als grün, wahrscheinlich wird er alle drei Stunden
mit einer erfrischenden Farblotion besprenkelt. Weiter rechts, hinter den
Oleanderbüschen - das Geviert mit dem Drahtmaschennetz dürfte ein Tennisplatz
ein.
    Wir
werden mit Saschkos Frau bekannt gemacht. Lässig hält sie uns im Sitzen die
Hand hin, was den Chihuahua wieder frisch auf Touren bringt. Stühle werden
gerückt. Ein Diener kommt angeschwirrt mit einem Tablett voller Aperitifs.
    Unten,
ziemlich weit weg, liegt die Masse Meer, unbeweglich und grau.
    Sie
spricht viel besser Englisch als ihr Mann, auch ein flüssiges Französisch.
Unser Besuch freut sie nicht unbedingt. Auf einen flüchtigen Blick aus einigen
Metern Distanz ist das ein Stück Nippes, eingepasst in dunkelbraune Locken.
Stimmt nicht. Die Augen sind außerordentlich, von einem tiefen, intensiven
Blau, keine schwimmenden Augen, sie haben etwas unheimlich Präzises. Am meisten
überrascht mich: sie ist deutlich älter als Saschko, es könnten sogar zehn
Jahre sein. Für die Bulgaren, wie wir sie kennen, eine Ungeheuerlichkeit. Eine
gut erhaltene Frau über fünfzig, so sieht sie jedenfalls aus, und Saschko ist
so alt wie Rumen, höchstens Mitte vierzig. Auf seinen Lidern liegt sogar noch
ein wenig Fett aus Kindertagen.
    Es
ist eine Kunst, beim Reden so wenig die Gesichtsmuskeln in Anspruch zu nehmen.
    Ob
wir vor dem Essen nicht eine Runde schwimmen wollen? Drüben in den Kabinen
liegen Badeanzüge und Handtücher bereit. Meine Schwester und ich lehnen
dankend ab, aber Rumen kann sich nicht entziehen, er wird von Saschko am
Oberarm gepackt und zu den Kabinen geschleppt. Wenig später treten sie wieder
heraus, der Hausherr in langem, weinrotem Bademantel mit Wappen vor dem Herzen,
Rumen im wappenlosen Weißblau eines Matrosen, die Mäntel fallen auf
Liegestühle, und zack, mit hochgerissenen Knien sind die Kerle steißlings ins
Wasser geplumpst.
    Roxy
legt sich hin. Zeit für ein kleines Frauengespräch. Wir werden gefragt, wie wir
Bulgarien finden, und bekommen die Antwort gleich serviert: beautiful land,
very hearty people, strangers are welcome everywhere. Genau die Art von
Konversation, bei der Läuse anfangen, auf mir herumzulaufen. Ich lasse die
Eiswürfel im Glas zirkulieren und nehme einen Schluck Campari. Das falsche
Getränk, wie ich sofort merke, nicht für diesen verschreckten Magen, jetzt, um
neunzehn Uhr zehn.
    Ich
überlasse meiner Schwester den Auftakt der Konversation, obwohl das ein Fehler
ist. Schon nach wenigen Minuten stellt sich heraus, dass die Dame des Hauses
meine Schwester nicht leiden kann. Mich nimmt sie hin. Eine altbekannte
Erfahrung. Schwierige Frauen kommen mit mir besser aus als

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