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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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keinen
Fall zulassen, Rumen würde darauf bestehen, mich zu chauffieren, und ich hätte
ihnen damit nur die Zeit, die sie gemeinsam in Bulgarien verbringen können,
verkürzt. Meine Schwester klammert sich jetzt geradezu an mich, sie ist
ängstlich darauf bedacht, den Dreibund zu erhalten, weil das zart geknüpfte
Zweierband noch zu aufgeregt in alle Winde flattert, als dass sie ohne mich
auskommen könnten.
    Was
die Lage erheblich kompliziert: meine Schwester und ich, wir reden nie über
Männer. Wir reden über Bücher und auch sonst über alles mögliche, aber
niemals, es sei denn in Floskeln, werden Männer berührt, mit denen wir zusammen
sind. Ein Heikelgebiet. Obwohl ich meine Kommentare gern direkt nach draußen
feuere, hocke ich hier in einem vertrackten Schanzwerk fest. Da wird viel geschwiegen,
selten ein wenig Süßholz geraspelt, da werden dem einen oder anderen Mann Grüße
bestellt, die nichts wollen und nichts sollen, und es wird brav vorgetäuscht,
der Gegrüßte habe seinerseits zurückgegrüßt. Kein auch nur annähernd wahres
Wort ist mir je herausgerutscht, wofern es um die Männer meiner Schwester
ging.
    Als
Verliebte irrten wir auf getrennten Wegen. Schon während der Gymnasialzeit hätte
der Unterschied kaum größer ausfallen können. Ich liebte die hochtourigen Flitzköpfe
oder das Gegenteil davon: staubtrockene Knarzer. Und nichts dazwischen. Meine
Schwester hingegen, herrje, meine Schwester trieb es mit den aalglatten
Schwiegermutterlieblingen, mit diesen notorischen Blumen- und
Pralinenmitbringern, unserer Mutter garantiert zur Freude. Ich aber schleppte
Kerle an, bei denen ihr garantiert die Haare zu Berge standen: einen Rasputin,
einen total verlederten Politkommissar und einen finnischen Afghanistanfahrer,
der ziemlich LSD geladen hatte, als er unserer Mutter die Hand verweigerte und
leicht schlingernd an ihr vorbeisteuerte, um sich auf das rote Sofa zu fläzen.
    Der
Perser, den meine Schwester geheiratet und von dem sie zwei Kinder hat, ist so
ein Schwiegermutterliebling. Äußerlich ein durch Salatöl gezogener Sky Dumont,
nur zierlicher, eben persischer. Kein Ayatollah mit Bart. Eher ein
Jubelperser. Allerdings kann man sich ihn mit Schlagstock in der Hand auch
nicht vorstellen. Er hat eine Halterung für die Kleenexbox in seinem Mercedes
anbringen lassen, weil er immer was abtupfen muß. Dass der Mann untreu ist, ist
weniger schlimm. Treue wird maßlos überschätzt. Schlimm ist seine süßliche,
weichliche, scheinsanfte, manipulative, grundverlogene Egomanie. Als
die Sonne heute morgen aufging, dachte ich an dich, Cherie.
    Würden
wir über Männer reden, müsste ich meine Schwester fragen, wie sie so ein
Sätzchen nimmt. Warum die Lektüren, die sie so innig begleiten, so wenig auf
ihr Liebesleben abgefärbt haben. Und wir müssten darüber reden, wieso sie sich
derart stur an Spieldosenausgaben unseres Vaters hält. Ihr Mann ist nämlich
auch die Sorte Arzt, die hauptsächlich mit Frauen zu tun hat. Er ist
allerdings Schönheitschirurg und wäre auch in jeder Vorabendserie die passende
Besetzung für einen Schönheitschirurgen.
    Würden
wir uns wechselweise in die Zange nehmen, müsste auch ich Auskunft geben. Was
hat es mit den blonden Knochengerüsten auf sich, in die du so vernarrt bist?
hätte meine Schwester jedes Recht zu fragen. Zu welch idiotischen Umwegen führt
die Vatervermeidung? Wenigstens sind bei mir die Lektüren, die ich bevorzuge,
und die Männer, die mir gefallen, eher miteinander versöhnt, könnte ich zu
meiner Verteidigung anführen.
    Heikel,
mehr als heikel wäre es, kämen wir auf Kinder zu sprechen. Auf die verwöhnten,
zutiefst unglücklichen Kinder meiner Schwester. Auf mein radikales Desinteresse
an Kindern.
    Obwohl
ich mich gerade leicht und frei genug fühle, um einmal anders zu denken - es müsste
doch möglich sein, die Familie meiner Schwester unbeschwert zu sehen, gerade
so, als wären es kuriose Liliengewächse, Frankfurter Lilien, lieblich in ihrer
Art, wie sie da so keck in der Beethoven-Straße gedeihen - aber sobald ich vom Lilienbild
abkomme, stellt sich nichts Schönes ein.
    Denke
ich an die Frankfurter Kinder, denke ich an die überstopften
Kinderzimmerhöllen, denen sie gerade entwachsen sind. Wie sie viermal im Jahr
in entlegene Weltgegenden gezerrt wurden und darüber jegliches Interesse an
der Welt verloren haben. Halbe Erwachsene sind's inzwischen. Der geschwätzige
Sohn, der ein erbärmlicher Aufschneider ist, hat schon das

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