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Lewitscharoff, Sibylle

Lewitscharoff, Sibylle

Titel: Lewitscharoff, Sibylle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Apostoloff
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heimatlichem Boden.
Melnik weigerte sich, so zu sein, wie sich Tabakoff das von Melnik erwartet
hatte. Zwar war der Ort inmitten von aufregend gezackten Felsen malerisch
gelegen, und das eine oder andere zwischen die schroffen Steine gebaute Haus
machte Eindruck, der mächtigen Balkone wegen und wie es da so auf den Fels
geklebt stand, doch die Weine und das Essen, die in Melnik auf den Tisch kamen,
ärgerten Tabakoff. Wir hielten uns vornehm zurück. Wir zahlten ja nicht. Nach
all dem Luxus, der uns bisher zuteil geworden war, nahmen wir es heiter, dass
uns die bulgarischen Wirte eine kleine Abreibung verpaßten. Tabakoff aber war
verletzt. So gut hatte er alles vorbereitet, so tief in die Tasche zu greifen
war er bereit gewesen. Wir mussten einen grollenden Chef beruhigen, sahen ihm
zu, wie seine faltige Gurgel mit widrigen Schlucken kämpfte, er eine Flasche
nach der anderen zurückgehen ließ.
    Demütig
schlugen wir die Augen nieder und lächelten unser hintersinniges
Bulgarenkinderlächeln.
    In
Melnik blieben wir nur kurz, und weiter ging's Richtung Sofia. Ich schlief
wieder ein. Aufgewacht bin ich, weil sich die Lautstärke des Gesprächs um mich
herum plötzlich steigerte. Inzwischen saßen der Rosenzüchter und seine Frau
und der Sohn von Koljo Wuteff in meiner Limousine.
    Pernik
hatte sie aufgescheucht.
    Wir
fuhren an riesigen Industrieruinen vorüber. Kilometer über Kilometer zog sich
eine katastrophale Landschaft hin aus halb zusammengebrochenen Gebäuden, zerworfenen
Scheiben, durchwühlter Erde, Müllhalden, rostigen Kränen, sinnlos in die Höhe
gereckten Baggerschaufeln, herumliegenden Maschinenteilen. Ungelogen: kilometerlang.
Ein Industriegedärm außer Funktion, wie es keiner von uns je gesehen hatte, wo
vereinzelt, gottverlassen wie in einem üblen Traum, ein Mensch auftauchte, ein
Wachmann mit Hund etwa, oder einer, der im Abfall kramte.
    Das
Lachen des Rosenzüchters hörte sich an, als würden Zahnstocher geknickt. Er war
untröstlich, denn er kannte die Gegend aus seiner Kindheit.
    Kein
Vergleich mit der Industrielandschaft des Ruhrgebietes, ihren Zechen, den
Monumentalbauten aus der vorigen Jahrhundertwende, die eine titanische
Schönheit besitzen. Böse und leer ist Pernik, verloren in einem Traum, der
keine Gnade gewährt, eine Kombinatspest aus Schrott, versetzt mit
Leichtmetallbauwerken neueren Datums, alle kläglich ramponiert. Unmöglich, mit
Ach und Weh über das Vergehen der Zeit zu sinnieren, über Menschenwerk, das in
den Schoß der Natur zurücksinkt - die Pionierpflanzen haben das Terrain noch
nicht aufgebrochen, Birkenstämmchen die Dächer noch nicht beflaggt.
    Bedrückt
und stumm fuhren wir in Sofia ein.
    Unsere
Sternlimousinen mit dem Schmuckdeckel obenauf scherten bald aus, um die Toten
zur Weiterbehandlung in einem Vorort zu deponieren, während wir ins Zentrum
fuhren und am Eingang des Hotels abgeliefert wurden.
    Das
Grand Hotel Sofia, ein blitzblanker neuer Kasten mit gläsernem Aufbau, das
Vorzeigehotel Bulgariens mit fünf Sternen, empfing uns, als wären wir die
ersten wahrhaft ernstzunehmenden Gäste, auf die es seit seiner Eröffnung
gewartet hatte. Dunkle Holztäfelung. Zierliche Palmen in Kübeln.
Begrüßungsworte in verschiedenen Sprachen. Tabakoff hatte natürlich
vorgesorgt, aber anders als in Melnik gehorchte man ihm hier aufs Wort. Wir mussten
uns nicht einmal an der Rezeption namentlich eintragen. Ein geheim bleibender
Hotelagent hatte es bereits erledigt. Unsere Koffer durften wir nicht anfassen.
Jünglinge in schicken Uniformen geleiteten uns auf die Zimmer, mir wurde ein
großes beschert, ein riesengroßes sogar. Ein wenig verlegen stand ich auf dem
grünen Teppichboden, während mich der Page erwartungsvoll ansah. Leider musste
ich ihn unentlohnt ziehen lassen, da ich außer Fünfzig-Euro-Scheinen kein Geld
bei mir hatte.
    Ein
grünes Teppichmeer mit goldenem Plankton. Vom Saugen stand die Wolle noch in
die Höhe. Jemand mit symmetrischem Gewissen musste sich hier zu schaffen
gemacht haben, denn die Saugstreifen verliefen erstaunlich parallel.
Damenhafte Nachttischlämpchen gab es, die ich zur Abwechslung recht gern habe.
Die Rückwand des Bettes war mächtig, vor allem dick gepolstert, wie es sich für
ein Prunkbett gehört; die eingezogenen Knöpfe ließen die Polsterung in
rautenförmigen Wülsten hervortreten. Über das Bett war eine beigefarbene
Steppdecke gebreitet und in einem koketten Dreieckszipfel zurückgeschlagen.
Irisierendes Silberfluidum

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