Lewitscharoff, Sibylle
ihm
beschäftigen. Heiterkeitswellen, Seelensalben, schmiegsamer Asphalt.
Es
hat seine Gründe, dass ihr in Bulgarien nicht ans Steuer dürft. In Deutschland
lasse ich mich gern von euch chauf-fieren.
Pause,
in der ein rostiger Kleinlaster mit Zementmaschine überholt wird. Die Pause
hält mehr oder minder an, bis wir in Plovdiv angekommen sind.
Die
moderne Stadt im Tal ist häßlich. Der übliche zerfressene Plunder. Ich wollte
schon vorschlagen, ob wir nicht einfach weiterfahren könnten, auf der Autobahn
sei es doch schöner. Aber dann geht es steil hinauf, und siehe da, eine völlig
andere Stadt kommt in Sicht. Wir bleiben in einer engen Gasse stecken, es geht
weder vor- noch rückwärts, Rumen erlaubt uns auszusteigen, während er stockend,
im Gehtempo, einem dreirädrigen Wägelchen hinterherfährt, das Farbeimer
geladen hat.
Was
sagst du jetzt? Meine Schwester steht mit überkreuzten Armen in einem
Hofeingang und staunt.
Heilandzack!
Hoftore
von imponierender Stattlichkeit, kräftig beschlagen, solide Unterbauten aus
Natursteinen, und darüber sich herauswölbend die hölzernen Stockwerke. Eine
ehrwürdige Schönheit reiht sich an die andere.
Oben
auf dem Hügel findet sich ein Parkplatz.
Wirklich
eine Freude, wohin man sich wendet. Die Häuser sehen überraschend anders aus,
als wir sie aus gut erhaltenen westeuropäischen Städten kennen. Der raffinierte
Oberbau aus Holz mit seinen Erkern, den Medaillons und Schmuckbändern, die zu
Gevierten sich schließende Bebauung, die Farbenspiele - rostrot ausgeziertes
Holzdunkel oben, Sandhelle unten, dazwischen ein kräftiges Blau -, eine
Augenweide sind sie. Damit wir Plovdiv ungeschmälert genießen können, strahlt
der Abendhimmel rötlich hell, nur am Rande hängen Wölkchen wie hingepafft.
Gegenüber weist ein Pfeil auf ein Café mit überdachtem Garten an der
Hinterseite. Rumen kennt es. Vom Garten aus kann man das ganze Tal überblicken.
Hier
regiert als Wirtschaftsgrundlage die Improvisation, ein Gestückel, das uns aus
Studententagen bekannt vorkommt. Zusammengeschleppte Stühle, wacklige Tische,
Kisten, Kerzen, bärtige Männer, die diskutieren, Frauen in weiten Röcken mit
indischem Klimbim und vielen, vielen Armreifen. Eine Ergänzung sind die
Wasserpfeifen, die bei uns damals nicht üblich waren. Wahrscheinlich finden
sich hier Leute zusammen, die einiges vom alten Plovdiv gerettet haben.
Vom
nahegelegenen Turm streicht ein Falke ab. Ein Schwarm winziger Vögel strichelt
nervöse Muster in den Himmel.
In
Rumen zittert eine kleine Unruhe. Während meine Schwester der Toilette
zustrebt, wendet er sich leise zu mir: Ich bin kein Idiot. Ich kenne den
Unterschied der Lebensverhältnisse und was daraus folgt.
Herrje,
da ist ein Beruhigungsspezialist vonnöten. Ich versichere ihm, dass ihn kein
Mensch für einen Idioten hält. Meine Schwester nicht und ich erst recht nicht.
Warum auch. Aber es verbietet sich, in ein Gespräch einzusteigen, das auf
detaillierte Vergleiche zwischen dem Stadtteil Mladost und der Beethovenstraße
hinausläuft. Manches erledigt sich heimlich, still und leise von selbst.
Auf
der Suche nach einem Hotel geraten wir in eine pompöse Anlage, vor der
Riesenkerzen in Riesengläsern brennen. Im Inneren ist der Kitsch von so
flammender Tollheit, dass es schwerfällt, die Lachmuskeln unter Kontrolle zu
halten. Klar, wir sind im First Mafia Place von Plovdiv gelandet. Eine bessere
Filmkulisse ließe sich gar nicht finden für - sagen wir, der Boß verheiratet
seine Tochter, ein abgeschlagener Kopf wird in die Hochzeitstorte geworfen, es
kommt zur Riesenballerei mit Rotorgie an den Wänden und einem tropfroten
Brautkleid. Müßte ein Heidenspaß sein, so ein Hotel zu versudeln.
Wahrscheinlich hat man einen großen Haufen Geld in die Hände einer Kinderschar
gelegt und sie beauftragt, den Schuppen zu garnieren. Gold, Gold, Gold,
Schnörkel über Schnörkel, Zierleistchen über Zierleistchen, Teppich über
Teppich, Wandbilder in zischenden Farben, herkuleische Sträuße mit
Monstergladiolen - nur wenn man mit dem Finger an etwas rührt, wackelt's. (Ich
sehe mich in einem Badezimmer um, tippe an Hähne und Gestänge, überall Gewackel
und Gebrösel.) Nachts quellen bestimmt goldene Kakerlaken unter den Leisten
hervor, und durch die Küche rennen Ratten mit vergoldetem Schwanz.
Beim
nächsten Hotel haben wir Glück. Die Zimmer sind bezaubernd. Groß, mit
herrlichen Holzböden, zierliche Möbel aus dem neunzehnten Jahrhundert
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