Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
Der erste Krieger Let’wedens musste seinen Umhang wieder hervorholen. Die Kälte hatte in den vergangenen Tagen noch einmal zugenommen.
„Es kann nicht mehr lange dauern. Die Visionen zeigten mir unser Ziel in den Bergen. Von Maluri wissen wir, dass wir das Ketragagebirge fast hinter uns haben müssten. Ich hoffe darauf, dass Cadar rasch wieder zu uns stoßen wird. Er ist bereits seit sieben Tagen verschwunden.“
„Hoffst du das wirklich? Ich hatte nicht den Eindruck, dass dir seine Anwesenheit besonders angenehm ist.“
„Deine Frage ist schwer zu beantworten.“ Eine Weile schwieg sie. Die Heimatlose dachte an den letzten Aufenthalt in der Taseres zurück und an die Zeiten, als sie noch gegen den schwarzen Zauberer schlagen musste. „Die Vergangenheit, die Erinnerung macht es schwierig, seine Nähe zu akzeptieren. Doch die Kräfte des Lichts haben entschieden, dass er an unserer Seite stehen soll. Ich will ihm die Möglichkeit nicht verwehren zu beweisen, dass er wirklich der Mann ist, den wir in der Vision gesehen haben. Und du musst zugeben, seine Hilfe ist wertvoll.“
Dunkel legte sich die Nacht über die Berge. Erst spät waren vereinzelt Sterne am Himmel zu erkennen. Die aber wurden schnell wieder von Wolken verdeckt. So ritten die Elben fast ständig in völliger Dunkelheit. Selbst der Schnee konnte die Finsternis nicht erhellen.
Beide rissen zur gleichen Zeit die Pferde zurück. Vor ihnen fiel der Fels steil ab. Sie mussten einen anderen Weg suchen. Doch zuvor beobachteten sie den Kampf, der am Felsgrund zwischen den hoch aufragenden Wänden ausgetragen wurde.
Das Tal zog sich von Süd nach Nord, bis es am Fels endete. Dort wuchs eine Stadt in die Höhe. Der galt sicher das Interesse der Seranidher, die gerade auf sie zu zogen. Es kam für eine geraume Zeit zum Stocken in den Angriffsreihen. Die Männer hatten bemerkt, dass sie sich auf ziemlich unsicherem Untergrund bewegten. Vor der Stadt lag ein See. Der reichte von einer Felswand zur anderen. Wer hingelangen wollte, musste den Pfad über das Wasser nutzen. Das war jetzt im ausgehenden Winter noch mit Eis bedeckt. Eigentlich ein recht leichter Weg. Die Angreifer aber wussten nicht, wie weit es noch tragfähig war. Da sich Unsicherheit breit machte, beschlossen sie, sich an den Seiten entlang zu ihrem Ziel zu bewegen. Die Überraschung war groß und Angst begann sich auszubreiten, als sich neben ihnen eine Feuerwand erhob. Die lief an den Seiten entlang. Die Männer waren damit gezwungen, weiter in die Mitte des Sees zu rücken oder ihr Vorhaben aufzugeben. Die Verteidiger trieben die Seranidher weiter zusammen. Verstecke im Stein verbargen eine Vielzahl an Bogenschützen und sogar mehrere Katapulte. Nach einiger Zeit gingen die Pfeile unaufhörlich auf die Feinde nieder. Um den Geschossen zu entkommen, wurde der Schutz der Entfernung gesucht. Bis in die Mitte des Sees reichte die Kraft der Bogen nicht. Die Angreifer jubelten. Nun doch auf diesem Weg, würden sie unbehelligt bis an die Siedlung gelangen. Stellten sich deren Männer nicht dem offenen Kampf, gab es kein Hindernis mehr. Oder doch? Die Bogen lagen wieder auf den Rücken der Männer im Fels. Dafür hatten sie jetzt ihre Schleudern ausgerichtet. Die Katapulte wurden geladen. Krachend trafen schwere Brocken in der Nähe der so Bedrängten auf das Eis. Erste Risse zeigten sich, leises Knirschen war zu vernehmen. Die Seranidher brachen in Panik aus und versuchten, dem brechenden Untergrund zu entkommen. Die gewichtigen Geschosse machten jedem Fluchtversuch indes ein Ende. Die Schreie der Ertrinkenden hallten hinauf bis zu den stillen Beobachtern. Keiner der Angreifer konnte sich den eisigen Wassern entziehen. Ihr dunkles Verlangen hatte einem jeden den Tod gebracht.
„Wir sollten gehen, so lange wir unentdeckt bleiben.“
„Ob das Grauen des Gebirges auch bis hierher kommt?“
„Das glaube ich nicht. Der See hat die Toten und mit ihnen auch deren Gestank geschluckt. – Iaschtah!“ Lewyn hatte eine leichte Bewegung hinter sich wahrgenommen. Schnell drehte sie sich zur Seite und hielt sogleich Therandil gespannt in den Händen. Der Freund war ebenso flink.
„Ihr seid nicht unsere Feinde. Nehmt die Waffen runter und lasst uns in Frieden den weiteren Weg nehmen.“ Die Kriegerin hatte als Zeichen des guten Willens den Bogen sinken lassen. Es mussten Männer aus der unter ihnen liegenden Stadt sein, von denen sie augenblicklich eingeschlossen wurden. Gegen die wollte sie nicht
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