Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
schon lange abhanden gekommen. Heute kratzen wir nur auf der Oberfläche. Graben wir so tief, wie ihr es stellenweise gesehen habt, könnte sich das Innere der Berge erneut rächen.“ Der Zwerg brach ab. Freilich hatte er diese Zeiten nicht erlebt, aber er kannte die Geschichten über den vielfachen Tod, den die Gier seiner Vorfahren heraufbeschworen hatte.
„Wir werden hier ruhen. Wenn wir wieder aufbrechen, müssen wir uns beeilen. Ich spüre es schon jetzt. Es ist die tiefste Stelle, die wir auf unserem Weg erreichen. Es ist der Platz, an dem uns der Tod am nächsten ist, an dem die Zwerge einst viel zu sehr in die Tiefen der Erde gerieten. Ihr werdet es selbst bemerken. Es wird unerträglich heiß. Die Luft wird giftigen Atem führen. Euch wird übel. Dinge werdet ihr sehen, die nicht sind. Euren größten Ängsten begegnet ihr. Bereitet euch darauf vor. Der Wahnsinn oder der Tod könnten euch sonst ereilen.“
„Vielleicht hätten wir einen anderen Weg nehmen sollen.“
„Es ist der kürzeste. Jandahr meinte, du hättest keine Zeit zu verlieren.“
Odambar ließ sich nieder, entfachte ein kleines Feuer und begann ein Stück Fleisch zu braten. Die Kriegerin grübelte indes eine Weile. Dies alles kannte sie bereits.
„Lasst uns umkehren. Dieser Weg ist zu gefährlich.“ Die beiden Führer sahen sie entgeistert an.
„Umkehren?! Dazu fehlt dir die Zeit.“
„Wir werden nichts erreichen, wenn der Tod uns nimmt. Es ist das Böse, was hier wartet. Ich möchte ihm nicht verraten, wo wir uns befinden. Gehen wir weiter, werden wir fallen.“
„Morosad?“ Cadar kannte sich in dieser Festung bestens aus. Er wusste, dass es von da aus einen Weg gab, dem Gebieter der Finsternis recht nah zu kommen. Die Worte, die Odambar gerade hatte hören lassen, waren auch für ihn überzeugend, hier einem weiteren Zugang nahe zu sein. „Sie hat Recht. Die Wächter der Dunkelheit würden uns in die Tiefen ziehen. Wir sollten nicht hier sein. Hoffen wir, dass wir unbemerkt geblieben sind.“ Er hatte seine Decke aufgenommen, ebenso seine Tochter und der Elb. Die Zwerge zögerten zuerst, waren dann aber schnell dabei, das Feuer zu löschen und alles zusammenzupacken. Auch sie verspürten keine Lust, dem Verderben ihrer Vorfahren zu begegnen. Endlich wussten sie, weshalb dieser Weg seit Generationen unbenutzt blieb.
„Iaschtah! Zu spät!“ Die erstarkende Magierin stand aufrecht und konzentrierte sich auf ihre Umgebung. Der Griff zu den Waffen zeigte den anderen, dass sie deutlich eine Gefahr spürte. „Rasch weg von hier!“ Aber es war wirklich zu spät. Schlagartig wurde es unerträglich heiß. Ein furchtbarer Gestank sättigte die Luft und löste starke Übelkeit aus. Flammen schnitten ihnen die Rückzugsmöglichkeit ab. Aus den angrenzenden Gängen vernahmen sie bald ein schlurfiges Kratzen und vielfaches Geheul. Begleitet wurde es von näherkommendem dunklen Licht. Auch das kam der Kriegerin sehr bekannt vor.
„Himmel, ich wünschte, ich hätte meine vollen Kräfte zurück. Wir sind dem einen Dunklen viel zu nah!“
In diesem Augenblick kamen die ihr bekannten Bestien aus den Spalten hervorgekrochen. Noch bewegten sie sich auf allen vieren. Die Äxte ruhten auf dem Rücken, doch die ersten von ihnen begannen sich aufzurichten. Drohend präsentierten sie ihre starken Klauen, die in dolchartigen Krallen endeten. Allein die waren tödliche Waffen.
„Die Schilde hoch!“ Soh’Hmil hatte gerade noch einer der Krallen ausweichen können. Die dunklen Geschöpfe waren in der Lage, diese ihren Widersachern entgegenzusenden.
„Nastuas!“ Die Feinde zeigten sich nicht so stark beeinflusst, wie es ihnen lieb gewesen wäre. Sie verloren zwar ihren sicheren Stand und mussten sich auf alle viere begeben. Das schien es aber auch gewesen zu sein. Cadar hingegen war geschwächt.
„Du hast ein Geschenk erhalten. Nutze es! Er weiß, dass du hier bist.“
Soh’Hmil musste die Freundin erst daran erinnern. Er riss sie aus ihren Überlegungen, die nach einem Ausweg suchten. Lewyn ergriff den Drachenstein und hielt ihn fest vor der Brust umklammert. Aus seinem Inneren stoben rotglühende Funken hervor, verstärkt durch den erhobenen Sajangschild. Sie legten sich wie ein schützender Mantel um die Bedrohten. Zudem konnte sie die Kraft spüren, die sie augenblicklich durchströmte.
„Das wird uns nicht ewig helfen. Wir müssen hier weg. – Bleibt bei mir!“
Dies taten die Männer. Erst nur im Dauerlauf, dann immer
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