Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
können.
„Du hast deine Fähigkeiten also zurück. Ist deine Stärke genauso groß wie vor dem Kampf mit Colgor?“ Andail nahm ihr die kleine Naria ab und führte das hungrige Kind Xandia zu. Die ging mit ihr zusammen, um dem Mädchen das Benötigte zu geben.
„Nein“, sagte sie ernst. Doch ein leichtes Zucken um ihre Mundwinkel verriet sie Regos. Der kannte sie sehr genau.
„Nein? Dann ist deine Kraft also größer als vormals?“
„So ist es. Die letzten Jahre haben mir alles zurückgegeben.“
„Ich weiß von den Stätten des Lichts, an denen dir Magie gegeben wurde. Ich weiß zudem von dem großen Schmerz, unter dem du sie erhalten hast. Doch warst du bei unserem letzten Treffen kaum in der Lage, gegen die Dunkelheit zu bestehen. Was ist seither geschehen und welcher Kampf erwartet dich? Ist auch für dich die Zeit der letzten großen Schlacht gekommen? Ist es das, musst du jetzt gegen den einen Dunklen ziehen?“ Der Freund fürchtete die Antwort. Musste sie gegen den großen Feind schlagen, war die Möglichkeit ihrer Rückkehr ziemlich gering. Regos kannte mittlerweile auch den letzten Satz der Prophezeiung. Große Opfer sollte die Erbin der Macht bringen, wenn sie siegreich sein wollte. War es ihr Tod, der Garnadkan von dem Übel befreien würde?
„Nun, es ist ein Teil des Finsteren, gegen den es zu bestehen gilt. Doch der Reihe nach.“ Bevor sie von ihren Reisen zu erzählen begann, griff sie nach einer geschwungenen silbernen Karaffe und füllte ihren kleinen Kelch ein zweites Mal mit rotem Wein. Die Männer waren darüber doch etwas verwundert. Wenn überhaupt, trank die Kriegerin sonst höchstens einen Becher voll. Andererseits befanden sie sich jetzt in Sicherheit. So gönnten sie der Freundin den Genuss des leckeren Tropfens.
Nachdem sie einen kleinen Schluck genommen hatte, machte sie es sich bequem. Dann berichtete die Vierundzwanzigjährige ab dem Augenblick, an dem Soh’Hmil nicht mehr in ihrer Begleitung war. Sicher hatte der Krieger der Königin bereits alles erzählt, was bis zum Eintreffen bei Ureaen geschah. Dort schloss die Thronerbin nun an. Schnell griff aber Cadar ein. Er konnte verstehen, dass die Anwesenden recht viel über die letzten Monate erfahren wollten. Das würden sie wohl nicht, wenn er seine Tochter gewähren ließ. Wie immer versuchte sie alle Geschehnisse möglichst kurz von sich zu geben. Schmunzelnd überließ sie ihm seinen Willen. Sofort wusste er, dass die Heimgekehrte nichts anderes bezweckt hatte. Dafür erntete sie einen gespielt zornigen Blick.
Es begann bereits hell zu werden, als sich der Gesprächsstoff um die vielen Wege der Erbin der Macht vorerst erschöpfte. Die Gitalaner und auch Leranoths Heerführer hatten den Mann aus Wyndor unterstützt. So hatte sich jeder genügend Ruhe und reichlich Speise und Trank gönnen können.
„Whengra ist diesmal wirklich tot, oder haben wir auch jetzt mit seiner Rückkehr zu rechnen?“ Der Weise wusste bereits von Soh’Hmil um das Ende des Verräters. Seine tödliche Verletzung hatte jedoch die Erinnerung an die Kämpfe im Athis’enwa etwas getrübt. Ihm war entfallen, ob der Alte endgültig vernichtet war.
„Nein, Feregor, sein Herz wurde ihm aus dem Leib gerissen und verbrannt. Er wird nie wieder seine kranken Gedanken gegen sein Volk richten können. Bei Osgh ist das leider nicht der Fall. Er wird eines Tages wieder gegen uns stehen.“ Lewyn wusste von dessen Schwäche. Aber sie vergaß dabei nicht, dass das dunkle Herz noch immer in der Brust des Magiers schlug.
„Hoffen wir, dass bis dahin viel Zeit vergeht.“ Der Weise trat durch einen der kunstvoll gearbeiteten Bogen, um die frische Winterluft einzuatmen. Dabei beobachtete er, wie im Osten langsam die Sonne über die Wipfel der jetzt spärlich belaubten Bäume stieg.
„Darauf dürfen wir nicht vertrauen. Stets kamen die finsteren Hexenmeister schneller zurück, als wir annehmen wollten. Auch der eine Dunkle ist sicher bereits wieder so weit erstarkt, dass er bald selbst eingreifen kann. Dies wird er sicher in nächster Zeit mit Hilfe des schlafenden Berges tun.“ Soh’Hmil trat zu dem Ältesten und betrachtete ebenfalls das Lichterspiel, das sich ihnen zwischen und über den Baumkronen bot. Dabei genossen sie die Ruhe und den Frieden des Morgens. Sie wussten, dass dies nur für den Augenblick so war.
„Wenn er dies Ding in den Kampf entsendet, ist seine Furcht vor dir enorm“, wandte sich Feregor wieder nach innen und der Magierin zu.
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