Lewyn - Die Halbelbin: Reise durch Garnadkan (German Edition)
wieder in der Hand. Allerdings fiel es ihr schwer, ihn auch deckend vor sich zu behalten. Der linke Oberarm zeigte eine tiefe, stark blutende Wunde. Die Rechte wollte sie jedoch für Yar’nael frei behalten. Vorsichtig blickte sie hinter dem Schild hervor. Gleichzeitig zog sie die Klinge. Den Feind konnte sie allerdings nirgends entdecken. Dafür bekam sie seine Magie ein weiteres Mal zu spüren. Ein äußerst harter Schlag traf sie am Kopf. Blut lief ihr über das Gesicht. Flink suchte sie Deckung. In ihrer jetzigen Position war sie von allen Seiten aus angreifbar. Selbst Bakla würde ihr da nicht helfen können. Die Kriegerin sprang auf und versuchte einen der nahe gelegenen Sandhügel zu erreichen. Ein Schwert schien die Luft zu durchschneiden, als sie auf dem Rücken vor der Erhebung landete. Abermals trug sie eine Verletzung davon. Ihr Kopf hatte erneut ganz schön was abbekommen. So langsam musste ihr eine brauchbare Idee kommen, sonst hatte der Gegner, in dem sie Osgh vermutete, sie bald zu Tode gespielt. Und der trieb sein grausames Spiel mit ihr. Es wäre ihm sicher ein leichtes gewesen, die verbannte Thronfolgerin mit einem Zauber zu töten. Aber noch hatte er es nicht getan. Lewyn wollte nicht länger darauf warten, dass er sich anders besann. Sie musste endlich den Kopf gebrauchen, auch wenn der ziemlich schmerzte. Mit dem Rücken hatte sie sich in den Sand gepresst. Die linke Seite war gut einzusehen. Dort konnte die Halbelbin nichts erkennen. Der dunkle Magier musste demnach vor ihr oder in dem Wäldchen zur Rechten versteckt sein. Die Zweiundzwanzigjährige vermutete den Widersacher zwischen den Bäumen. Aber die lagen einsam. Sie grübelte einen Moment. In dieser Zeit blieb sie unbehelligt. Sie nutzte es, um wenigstens die Verletzungen am Kopf zu versorgen. Das Blut beeinträchtigte zu stark ihre Sicht.
Hatte sie sich seinem Zugriff vorerst entziehen können? Das konnte dann allerdings nur eines bedeuten. Osgh musste sich in ihrem Rücken und damit hinter der Düne befinden. Sicher war sie sich dabei nicht. Vielleicht gehörte die Warterei zu dem tödlichen Spiel. Vorsichtig schob sich die Verletzte, weiter den Rücken in den Sand gepresst, nach oben. Kurz vor dem Hügelkamm blieb sie hocken. Erneut spähte sie in die Runde, ohne etwas zu entdecken. Widerwillig stieß sie Yar’nael in den Boden und nahm den Schild in die Rechte. Langsam hob sie ihn, so dass das Metall ein Stückchen über den Grat hinausragte. Die nach innen gewölbte Seite des Sajangschildes als Spiegel nutzend, ließ sie ihn im Halbkreis wandern. Nichts. Lewyns Bemühungen blieben ergebnislos. Erschöpft wollte sie gerade den Hang hinunterrutschen, als sie einen minimalen Lichtreflex erkennen konnte. Rasch hatte sie ihren Schutz auf den Rücken gelegt und Therandil in der Hand. Für ihre momentanen Kraftverhältnisse war es jedoch eine ziemliche Entfernung. Sie war tatsächlich kaum in der Lage den Bogen zu spannen. Aber wenn die Kriegerin es nicht versuchte, hatte sie womöglich keine weitere Gelegenheit, ihren Feind zu schwächen.
Im Westen senkte sich die Sonne langsam über den Waldrand, um bald gleißend dahinter zu verschwinden. Damit stand sie ziemlich niedrig. Es war eine Position, in der sie den Gegner sicherlich blendete. Weshalb hatte er sonst wohl den Schild übersehen, der ein gutes Stück über die Düne geschoben war?
Der Pfeil nahm seinen Weg. Nach kurzem Flug schien er sein Ziel gefunden zu haben. Ein leiser Aufschrei und folgendes Fluchen gaben Gewissheit darüber.
„Wie du willst! Dann stirbst du eben durch einen Zauber. Du bringst mich damit leider um den Genuss, dich stückchenweise in den Tod zu schicken. Nun, ich werde dir wenigsten in die Augen sehen, wenn du stirbst!“ Er kam eiligen Schrittes in ihre Richtung. Schnell rutschte die junge Frau den Hang hinunter und wandte sich in Richtung des Wäldchens. Das aber lag zu weit entfernt, als dass sie es noch hätte erreichen können. Es blieb der entmachteten Magierin nichts anderes übrig, als sich umzudrehen und sich dem Gegner zu stellen. Sie nahm den Sajangschild wieder in die Linke und versuchte ihn schützend vor sich zu halten. Die rechte Hand hielt Yar’nael umklammert.
Osgh tauchte neben dem Hügel auf. Sein Lederwams glänzte blutig in der untergehenden Sonne. Verschwitzt klebte ihm sein dunkles Haar im Gesicht. Tiefer Hass lag in den ebenso dunklen Augen. Die Linke war auf die Wunde im Bauch gepresst. Blut rann zwischen den Fingern hindurch.
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