Lex Warren E-Book
erfahrener als wir alle zusammen. Geht und sucht Euch einen, der Eure Stärke bis ans Ende seines jämmerlichen Lebens zu spüren bekommen soll.“
*
Das Licht im Inneren der Gefangenenunterkünfte war gerade hell genug, um schattenhafte Gestalten auszumachen. Die Männer hockten an Mauern gelehnt und in Ecken, unbekleidet und schmutzig. Manch einer war in Ketten gelegt. Benahra vermutete, dass es diejenigen waren, die es gewagt hatten, sich ihrer Gefangenschaft zu widersetzen. Wer nicht gefesselt war, schien auf andere Art an diesen Ort gebunden zu sein. Sie alle waren schwach und gebrochen im Gemüt. Benahra fröstelte es. Sie hielt ihren Speer einsatzbereit. Dunkel erinnerte sie sich, wozu Menschen ohne Hoffnung in der Lage waren. Zu oft hatte sie früher erlebt, wie Verbrecher, die zur Strecke gebracht waren, ihr eigenes Leben achtlos aufs Spiel setzten, um ihr und Lex noch zu entkommen. Langsam ging sie durch den Raum und versuchte, den Männern ins Gesicht zu sehen. Die meisten richteten den Blick rasch zu Boden, wenn sie ihre Aufmerksamkeit bemerkten. Als einer mit langen dunklen Haaren ihr standhielt, beugte sie sich ein wenig zu ihm hinab und fragte leise: „Kennst du einen Miles Frazer?“
Der Mann schüttelte knapp den Kopf, seine Stimme klang flehend: „Nehmt mich in Eure Dienste. Ich bin noch gut bei Kräften.“
„Warum willst du das?“
Er sah sie einen Moment lang sprachlos an, dann flüsterte er: „Weil ich hier drin nicht sterben will. Niemand sollte hier drin sterben müssen.“
„Warum bist hier?“ Nun wich er ihrem Blick aus und starrte an die Wand, an der Unrat klebte. „Antworte mir!“
Seine Lippen begannen zu zittern. „Weil ich mich eines Verbrechens schuldig gemacht habe.“
Benahra stutzte. „Du bist ein Mensch! So, wie die meisten anderen hier. Solltet ihr eure Strafe nicht auf der Erde verbüßen?“
„Ja, das wäre richtig.“ Er verzog er die schmalen Lippen zu einem bitteren Lächeln. „Man tauscht uns aus … Die Dolexidinnen brauchen stets Gefangene, die sich um die widerwärtigen Probleme ihres Planeten kümmern. Männer, die die Abwassergräben sauber halten. Männer, die den stinkenden Müll verbrennen. Männer, die die riesigen Felder bearbeiten, die ihre Nahrungsmittelversorgung sicherstellen.“
„Es gibt auch dolexidische Männer, die solche Arbeiten erledigen.“
Der Gefangene lachte rau und verfiel in Husten. Benahra wartete, bis er sich beruhigt hatte. Blut tropfte von seinen aufgeplatzten Lippen auf das stoppelige Kinn. „Die dolexidischen Männer dienen euch unmittelbar. In euren Häusern. Auf den Feldern auf eurem eigenen Land. In euren Betten. Für die Arbeiten, die niemand sieht, und die getan werden müssen, holen sich eure Befehlshaberinnen gerne Gefangene von anderen Planeten. Da die Menschen ein ganz besonderes Interesse an ein paar eurer Güter haben, findet der Austausch Ware gegen menschliche Gefangene still und heimlich fernab der Öffentlichkeit statt.“
„Gegen was werdet ihr eingetauscht? Woher weißt du das alles?“ Benahra beugte sich hinab, um ihm das Sprechen zu erleichtern.
„Es gibt ein seltenes Material auf Dolex. Niemand konnte bislang seine Quelle ausfindig machen, aber der Fluss löst es irgendwo in den Weiten der unbegehbaren Felsen. Er trägt es mit sich und wir, die hier im Lager verbleiben, haben die Aufgabe, es herauszufiltern. Ich kann nicht mehr darüber sagen, als dass es sich anfühlt wie winzige Scherben. Es ist im Wasser kaum auszumachen und wir stehen tagelang nackt in den Fluten, um es mit bloßen Händen herauszufischen, da wir keine Werkzeuge benutzen dürfen. Es wäre zu gefährlich, uns Dinge zu geben, die wir als Waffen verwenden könnten.“
Er hob die Hände und drehte sie um, um Benahra seine Handflächen zu zeigen. Sie waren voller blutiger Ekzeme, die aufgequollene Haut war aufgeplatzt und eitrig. Benahra warf einen Blick auf seine Füße. Die Zehen waren kaum noch zu erkennen, schwarz und grau verfärbt, als seien sie bereits abgestorben.
„Man verabreicht uns ein Mittel. Es schützt vor Blutvergiftungen. Das ist allerdings das Einzige, wovor es uns bewahrt. Ich wünschte, es würde nicht wirken.“
Benahra schluckte.
Hoffnungsvoll schaute er sie an. „Wenn ich Euch dienen dürfte, würde ich arbeiten, bis ich tot umfalle. Alles ist besser, als hier bei lebendigem Leibe zu verfaulen.“
Benahra nahm eine Bewegung neben sich wahr. Sofort wirbelte sie herum und hielt den Speer
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