Lexikon der Oeko-Irrtuemer
ingenieurwissenschaftlicher Modellversuch des Erftwasserverbundes, der die Bodenversiegelungstheorie experimentell überprüfte, kam zu dem Ergebnis, daß die abgedichteten Flächen weniger als ein Prozent zusätzliches Wasser in die Flüsse spülen. 4 Hans Helmut Bernhart, Wasserbau-Experte an der Universität Karlsruhe, erklärte, bei der Oderflut im Sommer 1997 habe »die Versiegelung der Landschaft überhaupt keine Rolle gespielt« 5 . »Die wahren Gründe klingen banal«, kommentierte der »Zeit«-Redakteur Jörg Blech: »Es hat viel geregnet, und die Menschen siedeln zu nah an den Flüssen.« 6
Der Oderbruch beispielsweise wurde 1750 auf Befehl Friedrich des Großen trockengelegt. Das Kunstbett des Flusses liegt über dem umliegenden Land und wird von acht Meter hohen Deichen befestigt. »Das sind keine sicheren Siedlungsräume«, bestätigt Emil Diester, Leiter des WWF-Auen-Instituts, »sie gehören als uralte Auen- und Bruchwaldstandorte zum natürlichen Wasserpuffer des Flusses.« 7 Auch der Rhein mäanderte früher auf zehn Kilometern Breite in Richtung Nordsee. Seit seiner Kanalisierung im 19. und 20. Jahrhundert steht ihm nur noch ein 200 Meter enges Flußbett zur Verfügung. Nach lang anhaltenden Regenfällen tritt er über seine künstlichen Ufer. Ob in den Rheinstädten der Boden versiegelt ist, hat darauf kaum Einfluß. Abhilfe könnte ein Verzicht auf ufernahe Ackerflächen zugunsten natürlicher Überschwemmungsgebiete schaffen. Hundertprozentigen Schutz gibt es allerdings nicht: Auch in früheren Jahrhunderten, als viele Auwälder und Altarme noch existierten, standen ufernahe Städte immer wieder unter Wasser.
1 BUND, Presseinformation, 29. 4. 1997. 2 Bundeslandwirtschaftsministerium, Land- und Forstwirtschaft in Deutschtand, 1997. 3 H. Hug, Der tägliche Öko-Horror, 1997. 4 ebd. 5 Die Zeit vom 1. 8. 1997. 6 ebd. 7 Der Spiegel Nr. 32/1997.
»Das Meer wird immer schmutziger«
Diese Behauptung ist richtig und falsch: Es kommt darauf an, welches Meer man meint. Ein Großteil der wachsenden Weltbevölkerung siedelt in Küstennähe. In armen Entwicklungsländern fließen die Schmutzbrühe aus den Fabriken und die Fäkalienflut der großen Städte nach wie vor ins Meer. Nur fünf Prozent des weltweiten Abwassers wird geklärt. 1 Der Ozean dient als Müllkippe. Mangrovenwälder - Brutstätte der Fische und Schutz der Ufer - werden schneller gerodet als der Regenwald. Alles in allem sieht es an den Küstenstreifen entlang der Kontinente ziemlich düster aus.
Doch diese Flachwasserzonen am Rande der Landmassen bilden nur einen relativ kleinen Teil der Weltmeere. Der Rest ist Tiefsee: 4000 und mehr Meter tief. Die Wassermenge der drei großen Ozeane umfaßt zirka 1,3 Milliarden Kubikkilometer Wasser. 70 Prozent der Erdoberfläche ist von Meer bedeckt. 2 Eine so gewaltige Wassermenge können selbst alle Umweltverschmutzer der Erde mit vereinten Kräften nicht verdrecken. Deshalb ist die hohe See immer noch ziemlich sauber. »Der offene Atlantik«, heißt es in einem Report der Europäischen Umweltbehörde, »wird kaum durch menschliche Aktivitäten beeinflußt. Schadstoffe sind zwar feststellbar, aber biologisch unbedeutend.« 3
Allerdings gedeihen in den Küstenzonen die meisten Fische und Pflanzen. Deshalb wiegt die zunehmende Verschmutzung dort schwer, auch wenn sich der Dreck später in der Weite des Ozeans verliert. Besonders gefährdet sind die kleinen Nebenmeere, zum Beispiel Nordsee und Ostsee, Mittelmeer und Schwarzes Meer, denn sie haben teilweise nur sehr schmale Verbindungen zu den Ozeanen. Dadurch geht der Wasseraustausch sehr langsam vor sich.
Dennoch gibt es auch von Nordsee, Ostsee und Mittelmeer gute Nachrichten. Nach der Konvention von Barcelona im Jahre 1975 bauten viele Küstenstädte der Mittelmeerstaaten Kläranlagen. Die Schmutzgürtel in der Nähe vieler Städte verschwanden wieder. Dies geschah weniger aus ökologischer Einsicht, sondern vielmehr weil 100 Millionen Badetouristen ein gewichtiger ökonomischer Faktor sind. 4
Die Nordsee ist zwar immer noch zu stark belastet, doch die Situation hat sich gebessert 5 , seitdem Deutschland die Abfallentsorgung auf See zwischen 1982 und 1989 schrittweise eingestellt hat. Rückstände aus der Farbstoff- und Arzneimittelproduktion, Klärschlamm, Grünsalz, Dünnsäure: All das wurde früher ganz legal in die Nordsee gekippt. Heute ist es verboten. Seit 1989 ist auch die Verbrennung von Abfällen auf hoher See nicht mehr
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