Lexikon der Oeko-Irrtuemer
sexuell übertragen), erbliche Vorbelastung (fünf Prozent) und Alkoholmißbrauch (drei Prozent). Schadstoffbelastungen der Umwelt spielen nur in zwei Prozent der Fälle eine Rolle. 1 [Grafik siehe übernächste]
Fleischkonsum und Dickdarmkrebs
Zwischen Fleischverzehr und Dickdarmkrebs besteht ein linearer Zusammenhang. Als Ursache gelten beim Braten und Grillen entstehende Stoffe. (Quelle: 0. Strubelt 1996)
1 Die Zeit Nr. 45/1997.
Was heißt eigentlich »krebsverdächtig«?
Um festzustellen, wie gefährlich ein Stoff ist, müssen die Experten zunächst klären, wo er vorkommt und welche unerwünschten Wirkungen er besitzt. Darüber hinaus müssen sie wissen, wieviel von dem Stoff in einer bestimmten Situation aufgenommen wird bzw. wie oft und wie lange Menschen damit in Berührung kommen. Einen großen Unterschied macht es auch, ob der Stoff durch die Haut, die Lunge oder den Magen in den Körper gelangt. Aus diesen Untersuchungen versuchen Mediziner und Toxikologen, eine regelhafte Beziehung zwischen den aufgenommenen Dosen und der erzielten Wirkung zu entdecken und zu beschreiben. Grafisch umgesetzt, handelt es sich dabei häufig um eine stetig ansteigende Gerade. Ein in kleinen Dosen harmloser Stoff kann in größerer Menge sehr gefährlich sein. [Grafik Seite 96]
Besonders schwierig ist die Beurteilung der sogenannten kanzerogenen Stoffe, weil die Mediziner keine Schwellenwerte angeben können. 1 Das heißt, unter Umständen können schon allerkleinste Mengen schwere Gesundheitsschäden hervorrufen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit noch so gering ist - die Mediziner wollen und können eine Gefahr nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. Deshalb bezeichnen sie solche Stoffe als »krebsverdächtig«. Damit ist freilich auch die Möglichkeit gegeben, Panik zu schüren. Der Vorwurf, ein Stoff sei »krebsverdächtig« oder »krebserregend« (was ja nicht dasselbe ist!) wird in der Umweltdiskussion mittlerweile inflationär verwendet (und häufig auch mißbraucht).
In den meisten Fällen gründet sich der Verdacht auf Tierversuche mit Mäusen oder Ratten. Was die alarmierte Öffentlichkeit dabei nicht weiß: In diesen Tierversuchen erweisen sich 59 Prozent (!) aller künstlichen und 57 Prozent (!) aller natürlichen Stoffe als krebserregend. 2 Der Hintergrund: Bei solchen Tests werden die Tiere mit höchsten Dosen eines Stoffes belastet. So kommt es zu einem chemischen Streß mit fatalen Folgen. Ständig sterben Zellen ab, und benachbarte Zellen teilen sich vermehrt, um die abgestorbenen zu ersetzen. Wenn sich eine Zelle teilt, können andere Mutagene jedoch leichter angreifen. Schon deshalb wirkt jede zweite Substanz im Langzeitversuch kanzerogen.
Wie unterschiedliche Gifte wirken
Wie unterschiedlich Stoffe wirken, zeigt die Kurve der Beziehung zwischen Dosis und Wirkung: Während Stoff A bereits bei kleinsten Mengen starke Wirkungen hervorruft, wächst die Wirkung bei B gleichmäßig. Stoff C entfaltet zunächst wenig Wirkung, nimmt ab einer bestimmten Dosis dann aber stark zu. D schließlich hat bis zu einem bestimmten Schwellenwert überhaupt keine Wirkung.
(Quelle: H. Needleman/P. Landrigan 1996)
Dazu ein Beispiel: Im Sommer 1995 hatte eine amerikanische Studie an Mäusen ergeben, Bodenozon könne sogar Krebs erzeugen. Die Akademie für Technikfolgenabschätzung Baden-Württemberg überprüfte daraufhin über 200 Ozonstudien und widersprach heftig. Die amerikanische Studie wurde von den Stuttgartern regelrecht auseinandergenommen: Erstens waren die Tiere Ozonbelastungen ausgesetzt, die um ein Vielfaches höher lagen als jene bei starkem Sommersmog, und zweitens wurden auch noch besonders empfindliche Testmäuse eingesetzt, die selbst unter gewöhnlichen Bedingungen besonders häufig an Krebs erkrankten.
Hinzu kommt: Die Nager dürfen während der Tests grundsätzlich soviel fressen, wie sie wollen. Neben der Chemikalie erhalten die Ratten somit etwas, was ganz sicher Krebs erregt: Futter im Übermaß. Das Wissenschaftsmagazin »Science« berichtete von entsprechenden Versuchen mit Ratten. In der einen Gruppe stieg nicht nur die Anzahl der Tumore, sondern auch das Körpergewicht der Tiere. Sie wurden nur zu sieben Prozent zwei Jahre alt. Eine schlanke Vergleichsgruppe erreichte hingegen zu 72 Prozent dieses Alter. 3
Aus diesen Gründen ist es voreilig, die Ergebnisse von Krebstests von Nagern auf Menschen zu übertragen. Sie sind lediglich ein
Weitere Kostenlose Bücher