Lexikon der Oeko-Irrtuemer
(genau wie beispielsweise das globale Pro-Kopf-Durchschnittseinkommen).
Nach Angaben der World Meteorological Organisation
(WMO) sind es derzeit etwa 1400 Meßstationen in aller Welt, die zur Ermittlung von Globaltemperaturen beitragen. Insgesamt können die Meteorologen sogar auf 9 500 Stationen zurückgreifen. 1 Jede Station errechnet aus mehreren Messungen über 24 Stunden eine durchschnittliche Tagestemperatur, diese wird dann über 365 Tage zur Jahresdurchschnittstemperatur gemittelt. Die Werte von Nord- und Südhalbkugel, auf dem Land und über dem Meer, werden zusammengenommen und wiederum gemittelt. Heraus kommt die Globaltemperatur. Als Bezugsgröße für Abweichungen nimmt man den Durchschnitt der Globaltemperaturen aus einem Zeitraum von 30 Jahren, also beispielsweise von 1961 bis 1990. Dieser Durchschnittswert stellt gleichsam die Nullinie der Skala dar. Aber Vorsicht: Nicht immer wird der gleiche Zeitraum zum Vergleich herangezogen!
Über die tatsächliche Höhe der Durchschnittstemperatur herrscht denn auch Verwirrung. So stellt die Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages in ihrem ersten Bericht 1988 »Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre« fest, daß die durchschnittliche Globaltemperatur 15 Grad Celsius beträgt. Die nachfolgende Kommission erhöhte 1992 sogar auf 15,5 Grad. Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA nennt für 1995 eine durchschnittliche Globaltemperatur von 15,47 Grad. Andererseits gaben die britische Climate Research Unit (CRU) und die Universität von East Anglia 1995 bekannt, daß dasselbe Jahr mit einer Globaltemperatur von 14,84 Grad das wärmste seit 1850 gewesen sei. Als Bezugsgröße wurde von den Briten dabei eine durchschnittliche Globaltemperatur von 14,44 Grad genannt (gemittelt über die 3. Klimaperiode dieses Jahrhunderts 1961 bis 1990). 2
Historischer Vorläufer der Globaltemperatur war die »Weltmitteltemperatur«, die der Chemiker Svante Arrhenius 1896 einführte. Seine Hypothese lautete, daß die erdgeschichtlichen Schwankungen des Klimas auf die Schwankungen des atmosphärischen Kohlensäuregehaltes (Kohlensäure, in Wasser gelöstes CO 2 , wurde früher häufig mit Kohlendioxid gleichgesetzt) zurückzuführen seien. Daher wird er vielfach als »Vater der Treibhaushypothese« bezeichnet. Arrhenius gab seiner Modellerde eine nach den damaligen Möglichkeiten abgeschätzte Weltmitteltemperatur. Sie lag bei 15 Grad. 3 Die jeweils gehandelte Globaltemperatur schwankt somit seit 100 Jahren mehr oder weniger vehement um 15 Grad - was irgendwie schon wieder beruhigend ist.
1 C. D. Schönwiese, Vortrag »Globale und regionale Klimaveränderungen«, gehalten auf dem Symposium »Klimaveränderungen - Ursachen und Auswirkungen« der Europäischen Akademie für Umweltfragen, Bonn, 10. 11. 1997. 2 Medien-Dialog Nr. 8/1997, Seite 23; die tageszeitung vom 8. 1. 1996. 3 Medien-Dialog Nr. 8/1997, W. Thune.
»Die Polkappen schmelzen ab«
Die Modelle der Klimaforscher sagen für den Bereich der Pole eine bis zu dreimal höhere Erwärmung voraus als in den gemäßigten Zonen. Dies führte zu der Befürchtung, die Polkappen könnten abschmelzen und der Meeresspiegel infolgedessen dramatisch ansteigen. Satellitenmessungen zeigen aber keine eindeutige (und schon gar keine dramatische) Entwicklung in diese Richtung. Während sich die mit Eis bedeckte Fläche in der Arktis von 1978 bis 1996 in der Tat um rund 2,9 Prozent verringerte, hat sie gleichzeitig in der Antarktis um knapp 1,3 Prozent zugenommen. Das ermittelten Wissenschaftler des Goddard Space Flight Center der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA. 1
Ähnlich widersprüchlich verlaufen die Temperaturkurven. Satellitendaten zeigen für die Arktis eine signifikante Abkühlung von 0,28 Grad Celsius pro Jahrzehnt, in den letzten 50 Jahren ist die Arktis um 0,88 Grad kälter geworden. 2 Auch am Boden kann keinesfalls von einem einheitlichen Erwärmungstrend gesprochen werden. Während es beispielsweise in bestimmten Teilen Sibiriens tatsächlich wärmer geworden ist (teilweise um 0,75 Grad pro Dekade) 3 , verhält es sich in anderen Gebieten genau umgekehrt. Temperaturaufzeichnungen, die jetzt für den sowjetischen Teil der Arktis freigegeben wurden, verraten sogar einen Temperatursturz von bis zu 4 Grad Celsius in den letzten 40 Jahren. 4 Prinzipiell sind höhere Temperaturen in den nördlichen Breiten kein Beleg für unnatürliche Vorgänge: So blühte die Vegetation vor nur 1000 Jahren in Grönland
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