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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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manche Fachleute glauben, Geld sei (in Form von Gold und anderem Gepränge) für symbolische Kulthandlungen wie Opfergaben an Götter oder Priester entwickelt worden und habe sich erst später als Hilfsmittel im Alltag etabliert. Andere gehen davon aus, dass Geld durch Belastung von Eigentum entstanden ist, also zunächst ein Schuldschein war, den man vorweisen musste, um verpfändetes Eigentum wiederzubekommen.
    Insbesondere seit dem Ende der Golddeckung sind die Verhältnisse noch weniger intuitiv begreifbar als früher. Vorher entsprach jedem Geldschein immerhin eine bestimmte Menge Gold im Besitz des Staates, und der Staat durfte nicht nach Gutdünken mehr Geld drucken, nur weil er gerade ein paar teure neue Flugzeugträger kaufen wollte. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieben nur noch die USA bis 1968 und die Schweiz bis 1999 bei einer goldgedeckten Währung, aber da die Golddeckungspflicht schon seit den 1930er Jahren eher dekorative Funktion gehabt hatte, merkt man heute allgemein nicht viel davon, dass sie abgeschafft wurde. Außer eben, wenn es darum geht, das Phänomen Geld zu verstehen.
    Um eine undurchsichtige Angelegenheit noch komplizierter zu gestalten, gibt es aber nicht nur eine Sorte Geld, sondern deren viele: Neben dem Bargeld hätten wir da (hoffentlich) das Geld auf dem Konto. Man kann es überweisen, aus dem Kontoautomaten ziehen oder auf seine Geldkarte laden; es verhält sich in vieler Hinsicht genau wie Bargeld, muss also wohl Geld sein. So weit, so gut – aber wenn das Geld auf dem Girokonto Geld sein darf, warum dann nicht auch das für einen Monat festgelegte Geld? Und wieso bei einem Monat aufhören? Man könnte noch die längerfristig festgelegten Gelder, die Wertpapiere und die Einlagen bei Versicherungen mitzählen. Genau das geschieht auch – so entstehen diverse Geldmengen, die man mit M0 bis M3 bezeichnet. Leider befinden sich jetzt am äußersten Rand dieses Spektrums Angelegenheiten, die mit dem Geld, wie wir es aus dem Portemonnaie kennen, nicht mehr viel zu tun haben, etwa Aktien. Die Deutsche Bundesbank schreibt: «Was man sinnvollerweise zum Geld rechnet, ist … keine Frage, die sich mit wissenschaftlicher Exaktheit ein für allemal klären ließe, sondern eine Zweckmäßigkeitsfrage. (…) Für die Europäische Zentralbank steht die weit abgegrenzte Geldmenge M3 im Vordergrund ihrer monetären Lageeinschätzung.» In den USA wiederum hält man M3, die am weitesten gefasste Geldmenge, für «keine hilfreiche Angabe» und veröffentlicht sie seit 2006 gar nicht mehr. «Der Versuch, die Geldmenge zu definieren», meint der Volkswirt Paul A. Samuelson, «treibt akribische Experten an den Rand der Verzweiflung, denn es gibt keine klare Trennungslinie im Kaleidoskop der Anlagen, die es ermöglichen würde, genau den Punkt festzulegen, an dem sich Geld von anderen Anlagen scheidet.»
    Kritiker der verschiedenen Ms wenden ein, es sei ungefähr so sinnvoll, Geld und Guthaben zusammenzuzählen, wie Äpfel zu Abbildungen von Äpfeln zu addieren, die man anderen geliehen hat. Geld sei ein für alle Mal nur das, was per Gesetz als Zahlungsmittel akzeptiert werden muss, also Banknoten und Münzen. Entsprechend umstritten ist auch, ob die Banken durch Geldverleih Geld schaffen, das vorher nicht da war. Wenn jemand 100 Euro auf die Bank trägt, verleiht die Bank dieses Geld an andere Kunden, und zwar nicht nur einmal, sondern so oft, dass insgesamt um die 900 Euro daraus werden. Das ist die sogenannte Giralgeldschöpfung, aber die Frage, ob dabei tatsächlich, wie der Name suggeriert, Geld geschöpft wird, bietet Wirtschaftswissenschaftlern immer wieder Anlass zu langwierigen Nein!-Doch!-Nein!-Doch!-Debatten.
    Wie viel Geld es gibt, ist nicht nur eine spitzfindige Definitionsfrage, denn die Notenbanken versuchen die Geldmenge zu steuern, um so dafür zu sorgen, dass die Kaufkraft stabil bleibt. Alan Greenspan, der langjährige Vorsitzende der US-Notenbank, erklärt in einem Interview: «Das Hauptproblem ist die Definition, welcher Teil unserer Liquiditätsstruktur wirklich Geld ist. Wir versuchen seit Jahren, Indikatoren dafür ausfindig zu machen. Dabei legen wir den Maßstab an, dass sich mit Hilfe eines solchen Indikators die Entwicklungsrichtung von Wirtschaft und Finanzen vorhersagen lassen sollte. Leider ist das bisher mit keinem der von uns entwickelten Indikatoren gelungen (…). Das heißt nicht, dass wir Geld für unwichtig halten; es heißt nur, dass unsere Messverfahren

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