Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)
unzureichend waren. (…) Man kann nichts managen, das man nicht definieren kann.»
Selbst wenn man sich auf das reine Bargeld beschränkt, wissen die Notenbanken zwar, wie viel sie davon herausgegeben haben, aber nicht, wie viel davon tatsächlich im Umlauf ist. Der Sachbuchautor Helmut Creutz schätzt, dass in den 1990er Jahren nur ein knappes Drittel der herausgegebenen DM-Menge zirkulierte. Der Rest steckt anscheinend in Sparschweinen und Schwarzgeldkassen oder im Ausland: Zu DM-Zeiten soll sich in der Türkei zeitweise mehr deutsches Bargeld aufgehalten haben als in Deutschland selbst. Und fünf Jahre nach der Euro-Umstellung fehlen immer noch 14 Milliarden DM, die vermutlich nicht komplett in Gullys, Waschmaschinen oder glückbringenden Brunnen verschwunden sind.
Auch wenn wir annehmen, man wüsste, wie Geld entsteht, was es ist und wie viel davon zirkuliert, bleibt immer noch die Frage, wie sich das Vorhandensein von Geld auswirkt. Im 19. Jahrhundert herrschte kein Zweifel daran, dass Geld nur ein neutraler Faktor, ein «Schleier» vor der Produktion und dem Tausch von Gütern sei. Dann fiel jedoch auf, dass es einen Zusammenhang zwischen der Höhe der Zinsen und dem Verlauf der Konjunktur gab – ganz ohne Einfluss konnte das Geld also nicht sein. Ab 1936 dominierte die These des britischen Wirtschaftswissenschaftlers John Maynard Keynes, es gebe keine Trennung zwischen Wirtschaft und Geld. Im Keynesianismus und Postkeynesianismus nimmt man an, dass Geldpolitik eindeutige und nachhaltige Auswirkungen auf die reale Wirtschaft hat. In den 1950er Jahren schließlich begründete Milton Friedman den Monetarismus: Geld übe, wenn überhaupt, nur kurzfristig Einfluss auf die Wirtschaft aus. Zur Illustration erfand er das leider hypothetische «Hubschrauberbeispiel», in dem Geld vom Himmel geworfen wird, sodass sich die umlaufende Geldmenge über Nacht verdoppelt. In der Folge steigen lediglich die Preise auf ein höheres Niveau, sonst ändert sich gar nichts. Für die Geldpolitik folgt daraus, dass man einfach alles möglichst stabil halten sollte, während Keynesianer auf eine antizyklisch steuernde Geldpolitik setzen. An eine völlige Neutralität des Geldes glaubt heute niemand mehr – leider aber aus unterschiedlichen Gründen und mit unterschiedlichen Schlussfolgerungen.
Einerseits muss man sich wundern, dass trotz der mysteriösen Natur des Geldes letztlich alles ganz gut funktioniert und es hin und wieder sogar gelingt, offene Rechnungen pünktlich zu bezahlen. Andererseits wenden Kritiker unseres Geldwesens ein, wir hätten die schädlichen Folgen der derzeitigen Geld- und Zinspraktiken nur aus dem Blick verloren, weil wir sie für selbstverständlich und unvermeidlich hielten. Wenn man nur an ein paar Stellschräubchen drehen würde, könnten Ausbeutung, ungerechte Verteilung von Reichtum und sogar der Krieg in ihre Schranken gewiesen werden. Vielleicht werden wir es eines Tages herausfinden. Analog zur alten Faustregel «Erst Zimmer aufräumen, dann Schweinesystem abschaffen» schadet es aber sicher nicht, sich um eine Klärung der offenen Geldfragen zu bemühen, bevor man die Weltwirtschaft umkrempelt.
Halluzinogene
Wenn Gott LSD nimmt, sieht er dann Menschen?
Steven Wright, US-Komiker
Das menschliche Gehirn lässt sich so leicht und gern von allem Möglichen verwirren, dass man es der Evolution hoch anrechnen muss, dass sie uns in die Lage versetzt hat, wenigstens ab und zu Kraftfahrzeuge zu führen. Schließlich gibt sich die Natur alle Mühe, unsere Umwelt mit optischen Täuschungen und chemischen Stoffen anzureichern, die unsere Wahrnehmung aus der Kurve tragen. Tauchen dabei weiße Mäuse auf, wo nach allgemeiner Übereinkunft keine sind, nennt man das eine Halluzination. Halluzinogene (also «Halluzinationen erzeugende Substanzen») tragen daher ihren Namen nicht ganz zu Recht, da sie lediglich die Wahrnehmung des Vorhandenen verändern, indem sie etwa statt anwesender weißer Mäuse farbige auf den Plan treten lassen. Einige Experten plädieren deshalb für die Umbenennung dieser Stoffe in «Psychedelika» (also «die Seele offenbarende Substanzen»), aber solange nicht geklärt ist, ob die Seele wirklich ein Fell und vier Beine hat, bleiben wir erst mal bei der Bezeichnung «Halluzinogene».
Solche Substanzen kommen nicht nur in mehreren hundert Pflanzen und vielen Pilzen, sondern auch in einigen Kröten- und Fischarten vor – immerhin sind bisher keine halluzinogenen Steine bekannt
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