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Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition)

Titel: Lexikon des Unwissens: Worauf es bisher keine Antwort gibt (E-Book zu Print) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Passig , Aleks Scholz
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ermuntert und Amerikaner nicht? John Komlos und Richard Steckel haben zahlreiche Erklärungsmöglichkeiten getestet und die meisten davon widerlegt. Die heute bevorzugte Theorie sieht die Ursachen für die Stagnation der Amerikaner in größerer sozialer Ungleichheit, geringerer sozialer Sicherheit und schlechter Gesundheitsversorgung. Holland zum Beispiel, wo die Männer im Durchschnitt über 1,80 Meter in die Höhe ragen und wo man außerdem gern Kuhmilch trinkt, hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, insbesondere für Schwangere und Kleinkinder. Allgemein ist in Europa der Zugang zu Gesundheitsleistungen gerechter geregelt als in den USA; der Anteil der nicht krankenversicherten Menschen ist deutlich geringer, der Unterschied zwischen Arm und Reich kleiner.
    Aber wenn soziale Ungleichheit die Lösung wäre, müsste es dann nicht irgendwo in Amerika eine Gruppe von Menschen geben, die den allgemeinen Trend nicht mitmacht, sondern weiterwächst? Irgendeine Bevölkerungsgruppe wird sich doch die besten Krankenhäuser, die fähigsten Ärzte, die teuersten Lebensmittel und die meisten Kindermädchen leisten können. Man sollte außerdem erwarten, dass die Größenunterschiede zwischen Armen und Reichen im Laufe der Jahre ansteigen. All dies lässt sich leider nicht belegen. Es sieht so aus, als hätten alle Bevölkerungsschichten in den USA, reich und arm, schwarz und weiß, gebildet und ungebildet, vor einigen Jahrzehnten aufgehört zu wachsen. Es muss irgendeinen Faktor geben, der die Amerikaner am Wachsen hindert und der bisher übersehen wurde.
    Ungeklärt ist außerdem, wie groß die Menschen überhaupt werden können. Irgendwo liegen genetische und vermutlich auch physikalische Grenzen des Wachstums, denn ein Mensch ist nun mal keine Giraffe. Aus Norwegen, auch ein Land der modernen Riesen, stammen erste Hinweise auf eine optimale, «gesunde» Körpergröße: Die Sterblichkeit der Norweger nimmt mit zunehmender Körpergröße ab, erreicht ungefähr bei 1,90 ein Minimum und steigt danach wieder an. Demzufolge würde man statistisch gesehen am längsten leben, wenn man relativ groß, aber nicht riesig ist. Sehr große Menschen erkranken beispielsweise häufiger an Krebs, und sie stoßen sich häufiger den Kopf am Türrahmen. Die gesunde Obergrenze ist bisher allerdings nirgendwo auch nur annähernd erreicht – vorerst kann der mittlere Holländer unbesorgt weiterwachsen.
    Nehmen wir zum Schluss vereinfachend an, dass Menschen, die ein gesünderes Leben führen, größer werden – nochmal erinnert, nur im Durchschnitt. Selbst dann stellt sich die Frage, ob es auch ein schöneres Leben ist. Im 5./6. Jahrhundert waren die Menschen im rückständigen Bayern groß, gesund und langlebig; trotzdem hätten es vermutlich viele von ihnen vorgezogen, ein paar hundert Jahre vorher in Rom zu leben, wo es viel interessanter war und auch deutlich mehr unterhaltsame Gladiatorenkämpfe stattfanden – obwohl die Körpergrößen dort stagnierten. Wie man also die tatsächliche Lebensqualität (und nicht «nur» den biologischen Lebensstandard) misst, darüber sollte man vielleicht nochmal nachdenken.

Nord-Süd-S-Bahn-Tunnel
Bauen ist Kampf gegen das Wasser.
Bernd Hillemeier, Professor für Baustoffkunde
    Eine zuverlässige Quelle für Dinge, über die man nichts Genaues weiß, sind Weltkriege. Hinterher will es meist niemand gewesen sein, erschwerend kommt hinzu, dass wichtige Unterlagen verbrannt, auf der Flucht verlegt oder vom Sieger als Souvenir mit nach Hause genommen worden sind. Greifen wir ein Beispiel heraus: In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs wurde in Berlin die Decke des S-Bahn-Tunnels unter dem Landwehrkanal gesprengt, sodass ein großer Teil des Tunnelsystems voll Wasser lief. Wozu das jetzt wieder gut sein sollte, ob die Deutschen oder die Russen schuld waren, wie viele Menschen dabei ums Leben kamen und selbst der Zeitpunkt der Sprengung sind bis heute umstritten. Allerdings wüsste man über dieses auch für Kriegsverhältnisse dramatische Ereignis noch viel weniger, wenn nicht das Berliner Kreuzberg-Museum in den frühen 1990er Jahren für gründliche Dokumentation gesorgt hätte. 1989 hatte die Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung beschlossen, eine Gedenktafel für die Opfer aufzustellen, und das Museum mit den nötigen Recherchen beauftragt. Weil aber nicht zu ergründen war, was auf dieser Gedenktafel eigentlich stehen müsste, gibt es sie bis heute nicht. Gäbe es in Berlin eine

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