Liaden 3: Gestrandet auf Vandar
Junge noch darin wohnten, und später dessen Zhena – und dann die Hunde natürlich. Vier, fünf Hunde hatten sie ständig um sich gehabt. Jetzt war nur noch Borril übrig geblieben.
Als hätte der Hund ihre Gedanken gelesen, rannte er plötzlich los, fing wütend an zu bellen, flitzte ums Haus herum und verschwand aus ihrem Blickfeld.
»Borril!«, rief sie, obwohl sie genau wusste, dass es nutzlos war. Sie beschleunigte ihre Schritte, und als sie die Hausecke erreichte, meldete Borril lautstark, dass Fremde vor dem Tor standen.
Durch das Gekläffe hörte sie eine Männerstimme, die unverständliche Worte murmelte.
Sie bog um die Ecke und blieb überrascht stehen.
Borril stand vor zwei Fremden – bellend und heftig mit seinem albernen, buschigen Stummelschwanz wedelnd. Der größere der beiden Fremdlinge sagte wieder etwas, dieses Mal in einem scharfen Ton, und das Kläffen hörte auf.
»Sei still, Hund!«, befahl Val Con. »Wie kannst du es wagen, uns so unfreundlich zu empfangen? Sitz!«
Borril war verwirrt. Der Tonfall stimmte, aber die Worte klangen anders als die, die sie sonst benutzte. Er zögerte, dann hörte er, wie sie näher kam und rannte zu ihr, froh, der merkwürdigen Situation entronnen zu sein.
»Borril, du böser Hund! Sitz!«
Das war schon besser. Borril setzte sich und trommelte mit dem Schwanz auf den Boden.
»Entschuldigt vielmals«, wandte sich Zhena Trelu an die Fremden, bemüht, sie nicht neugierig anzustarren. »Borril ist ganz harmlos, ich hoffe, er hat euch nicht erschreckt.«
Abermals war es die größere Person, die das Wort ergriff; gleichzeitig hob der Mann die Hände und zeigte ihr die Innenflächen. Zhena Trelu zog die Stirn kraus. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu merken, dass er nicht verstand, was sie sagte.
Seufzend trat sie einen Schritt vor. »Bleib sitzen, Borril.« Sobald sie sich bewegte, kamen auch die beiden Männer näher, doch als sie vor Schreck innehielt, blieben sie ebenfalls stehen.
Der kleinere Mann war gar kein männliches Wesen. Es sei denn, dort, wo die beiden herkamen, war es den Männern erlaubt, die Haare lang wachsen zu lassen, zu einem Zopf zu flechten und diesen dann um den Kopf zu wickeln wie eine kupferrote Krone. Es musste sich um eine Frau handeln, folgerte Zhena Trelu. Oder genauer gesagt ein Mädchen. Aber wie sie angezogen war!
Zhena Trelu war nicht prüde, und sie wusste sehr wohl, wie praktisch lange Hosen waren – vor allen Dingen wenn man eine Farm bewirtschaftete. Doch diese Beinkleider …
Erstens schienen sie aus Leder zu bestehen – glattes, schwarzes Leder. Zum anderen saßen sie hauteng, schmiegten sich an den knabenhaft flachen Bauch des Mädchens, und dazu trug sie auch noch kniehohe schwarze Stiefel. Die weiße, aus einem weichen Material geschneiderte Bluse war akzeptabel, obwohl Zhena Trelu fand, der Halsausschnitt sei ein bisschen zu tief. Die darüber getragene offene Lederweste war nichts Besonderes. Doch wozu, im Namen des Gletschereises, brauchte eine Frau einen derart breiten Gürtel? Es sei denn, sie wollte ihre unglaublich schmale Taille betonen.
»Sehe ich wirklich so komisch aus?«, fragte Miri. Zhena Trelu zuckte leicht zusammen und sah ihr dann ins Gesicht.
Eine Schönheit war dieses Mädchen nicht mit diesen scharfen, kantigen Zügen und den Sommersprossen auf der Stupsnase. Das ausgeprägte Kinn ließ auf einen störrischen Charakter schließen, doch dazu passte wiederum nicht der weich geschwungene Mund mit den vollen Lippen. Das Attraktivste an ihr waren die ausdrucksstarken grauen Augen, die ihr nun mit einer Mischung aus Resignation und Ironie entgegenblickten.
Zhena Trelu spürte, wie sie rot anlief. »Entschuldigung«, murmelte sie. Dann schaute sie auf den Mann – und fing vor Staunen wieder an zu glotzen.
Während das Gesicht des Mädchens unregelmäßige Züge aufwies, war das Antlitz ihres Begleiters in seiner Ebenmäßigkeit nahezu perfekt. Hohe Wangenknochen, ein spitzes Kinn, die Nase gerade und weder zu lang noch zu kurz; der großzügige Mund lächelte andeutungsweise. Das dunkelbraune Haar reichte bis zu den Ohrläppchen und sah aus, als wäre es an den Spitzen mit einer Schere stumpf abgeschnitten worden. Eine einzelne Strähne fiel nach vorn in die Stirn mit den geraden, dunklen Brauen und hing beinahe über den bestürzend grünen Augen. Der Teint war von einer eigentümlichen, goldenen Farbe, und über die rechte Wange zog sich eine frische Narbe.
Er war ähnlich gekleidet
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