Liberator
es ja eine Möglichkeit, wenn beide sich entheiraten möchten«, warf Albert ein. »Wollen es beide?«
Col rutschte das Herz in die Hose. »Ich bin mir da nicht sicher, aber ich werde mich erkundigen.«
»Es sollten beide wollen«, sagte Albert. »Wäre sonst nicht fair.«
»Nein, vermutlich nicht«, sagte Col. Er begleitete die beiden noch bis zum nächsten Dampffahrstuhl. »Ich sollte jetzt wieder nach Sephaltina sehen«, sagte er und ging mit einem bitteren Geschmack im Mund zurück zum Salon. Riff hatte gemeint, es wäre genauso einfach, Ich will nicht zu sagen wie zu heiraten. Aber jetzt wusste er, dass es weitaus schwieriger war. Er fühlte sich wie in tausend Fesseln – und sie zogen sich immer fester.
60
Col hätte nie den Mut gefunden, Sephaltina zu fragen, ob sie sich entheiraten wollte. Aber er fand ihre Antwort darauf auch so heraus, denn spät am Nachmittag begann Sephaltina vor sich hin zu brabbeln.
»Ja, Mama. … Ich werde artig sein. … Ich werde die rosa Schleifen tragen. … Ich muss hübsch aussehen.«
Col wünschte sich, Hatta wäre jetzt da. Sephaltinas Stimme hörte sich eigenartig belegt an. War das Brabbeln gut oder war es schlecht für die Wunde?
»Psst … ganz ruhig …«, versuchte er sie zu beruhigen. Aber stattdessen riss Sephaltina plötzlich die Augen auf und starrte Col direkt ins Gesicht. »Mein Mann«, hauchte sie. »Wieder zurückgekehrt.« Sie brachte ein kleines Lächeln zustande.
»Weißt du, was geschehen ist?«
»Ich muss nichts wissen. Mein Ehemann sorgt für mich. Dann ist alles so, wie es sein sollte.«
»Du wirst wieder gesund. Die Krankenschwester sagt …«
»Natürlich. Ich muss ja wieder gesund werden … für meinen Mann.«
Ihre Augenlider flatterten, und sie schlief wieder ein. Ich bin froh, dass es ihr wieder besser geht, wiederholte Col für sich. Einige Minuten später riss Sephaltina die Augen wieder auf und starrte ihm ins Gesicht. Sie schwieg, während er ihre Stirn kühlte.
»Dann bist du wohl froh, verheiratet zu sein?«, fragte er sie nach einer Weile.
»Dummkopf«, murmelte sie.
»Obwohl es eine arrangierte Ehe ist?«
Sephaltina lächelte schwach und hauchte: »Aber ich habe sie doch arrangiert.«
»Du …?«
» Ihr habt doch uns gefragt. Die Porpentines die Turbots. Papa wollte keinesfalls zustimmen, aber ich habe ihn dazu gezwungen.«
»Wie denn?« Col erinnerte sich schwach, dass der Erste Steuermann Turbot gesagt hatte, seine Tochter sei sehr beharrlich gewesen.
»Ich habe die Luft angehalten, bis ich in Ohnmacht gefallen bin. Und das habe ich immer wieder gemacht und damit gedroht, es so lange weiterzumachen, bis ich sterbe. Ich bin sehr eigensinnig, weißt du, und am Ende bekomme ich immer, was ich will.«
Col sah sie an. Mit ihrem herzförmigen Gesicht, dem Rosenknospenmund und den roten Wangen war sie die personifizierte Niedlichkeit. Aber anscheinend schlossen sich Niedlichsein und ein starker Wille keineswegs aus. Bald fiel sie wieder in einen tiefen Schlaf, und Col konnte seinen unglücklichen Gedanken nachhängen.
Er hatte vergessen, dass Sephaltina fest entschlossen gewesen war, ihn zu heiraten. Jetzt fielen ihm all die kleinen Geschenke ein, die er immer wieder in seinem Pult in der Schule vorgefunden hatte: Karamelbonbons, Nougatriegel und Pralinenschachteln, immer versehen mit kleinen Kärtchen, die mit den Initialen ST unterzeichnet waren. Die Erinnerung daran war wie ein Messerstich. Sie musste schon in ihn verliebt gewesen sein, als er nicht einmal wusste, dass es sie gab. Selbst wenn es eine etwas eigenartige Verliebtheit war …
Jetzt schämte er sich, dass er an ihrer Entschlossenheit zur Ehe gezweifelt hatte. Er hätte Victoria niemals nach der Entheiratung fragen sollen. Die Fesseln zogen sich noch fester zusammen.
Zehn Minuten später steckte Septimus Trant den Kopf durch die Tür. »Hallo! Tut mir leid, dass ich nicht früher vorbeigekommen bin. Aber ich hatte mit unserem Projekt so viel zu tun.« Er trat ein und ging hinüber zu der auf dem Diwan schlafenden Sephaltina. »Wie geht es ihr?«
Col hatte ihn seit Botany Bay nicht mehr gesehen. Da Septimus der einzige war, der Cols Gefühle für Riff kannte, war er auch der einzige, mit dem er sein Dilemma würde besprechen können.
»Es geht ihr besser.«
»Gut«, sagte Septimus neutral. »Sie hat uns geholfen, weißt du das?«
»Nein.«
»Wenn Sephaltina die drahtlose Telegraphie nicht zerschmettert hätte, hätten wir die Magneten niemals gefunden.
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