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Liberator

Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland
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ihr Plan, zum Turm zu gelangen, gescheitert. Jetzt konnten sie nur noch ihre Haut so teuer wie möglich verkaufen. Col wartete auf Riffs Befehl, den Kampf zu beginnen.
    Aber stattdessen vernahm er plötzlich aus der Ferne ein Singen. Von irgendwo erschollen viele Stimmen, die immer lauter wurden. Das Kampflied der Swolotschi! Col hätte fast laut aufgelacht. Eine ganze neue Armee war jetzt also in den Kampf gegen die Imperialisten eingetreten.
    Die Soldaten hatten es auch gehört, riefen fragend irgendwelche Worte und zogen ihre Gewehrläufe aus dem Stroh.
    Dann donnerte der Lautsprecher vom Turm die neuesten Befehle der Generäle über das Gelände – auf Französisch, Deutsch, Russisch und Türkisch.
    Hektisch bellten Offiziere ganz nahe bei ihnen jetzt ihre eigenen Befehle; Soldaten schlugen die Hacken zusammen, drehten sich zackig um und marschierten davon. Niemand interessierte sich mehr für das eigenartige Glitzern im Stroh. Eine Einheit nach der anderen wurde in die Richtung, aus der der Gesang kam, abgeordnet.
    »Wir haben ihnen geholfen, und jetzt helfen sie uns«, flüsterte Riff.
    »Ich wette, das haben wir Unja zu verdanken«, sagte Col.
    Aber sie konnten noch immer nicht glauben, dass die Gefahr vorüber war. Truppen in nicht enden wollenden Reihen marschierten an ihnen vorüber. Erst als die Schritte verhallt waren, wagten sie, sich vorsichtig umzusehen. Es waren noch einige Einheiten zurückgeblieben, die auf ihren Abmarschbefehl warteten, aber keine befand sich in ihrer unmittelbaren Nähe. Col sah zum Kommandoturm hinüber, Riff fasste dagegen das Messingrohr neben ihnen ins Auge.
    »Lass uns erstmal das Ding da außer Gefecht setzen!«, sagte sie.
    Das war einfacher als gedacht, denn auf Crees und Dungas Seite war der Tieflader direkt neben dem mit Planen abgedeckten Unterstand am Sockel des Messingrohrs zum Stehen gekommen. Cree und Dunga sprangen unbemerkt über das Gitter auf die Erde und verschwanden sofort unter der Plane. Col, Riff und Jarvey wühlten sich an den Glaskolben vorbei durch das Stroh und folgten ihnen.
    Es waren Soldaten in dem Unterstand, aber Cree und Dunga hatten sich ihrer schon angenommen, als sie zu ihnen stießen. Drei Männer lagen überwältigt auf der Erde, sie waren den Kampfkünsten der Dreckigen in keinster Weise gewachsen gewesen. Die Soldaten trugen wattierte Jacken, warme Mützen mit Ohrenklappen und so dicke Handschuhe, dass ihre Hände wie Pranken aussahen. Col betrachtete die Vorräte an Glaskolben und Kanistern. Es war unnatürlich kalt hier.
    Ihr Atem hinterließ weiße Dampfwolken.
    Dunga machte eine lässige Handbewegung in Richtung der am Boden liegenden Männer und fragte: »Und jetzt?«
    »Fesselt sie. Und dann vernichten wir dieses Zeugs hier.« Riff zeigte auf eine Reihe von Hähnen, Rohren und anderen Gerätschaften, die am Sockel des Messingrohrs herumlagen.
    »Es wird mir eine Ehre sein«, sagte Cree.
    »Und dann?«, fragte Jarvey. »Wollen wir immer noch zum Turm?«
    »Weiß nicht«, sagte Riff und saugte an ihren Wangen. »Ich kuck jetzt erstmal, was die russischen Dreckigen machen.«
    Col folgte ihrem Blick und entdeckte eine Reihe von Krampen, die bis zur Mündung des Messingrohrs führten.
    »Ich auch«, sagte er.
    75
    Wie ein Affe kletterte Riff die Krampen hinauf; Col folgte, bloß weniger akrobatisch. Sie verließen den Schutz der Planen, die den Unterstand umgaben, und kletterten an allen möglichen Knöpfen und Knäufen und Rohren vorbei. Das große Messingrohr war wie ein Baumstamm bewachsen mit metallenen Wucherungen, und Col hoffte deshalb, dass sie von fern nicht anders aussähen als ein weiteres solches Anhängsel. Außerdem war das Rohr dick genug, um ihnen Schutz vor neugierigen Blicken aus der Nähe zu bieten. Riff hatte die Spitze schon erreicht, und Col stand unter ihr auf den letzten Krampen.
    Sie sahen, wie die Swolotschi in Pfeilformation über die Mitte des Aufmarschgeländes zogen. Sie mussten durch den Maschinenraum der Romanow gekommen sein, denn sie strömten unter dem Rumpf ins Freie.
    »Kuck mal«, rief Riff, »sie teilen die feindlichen Truppen in zwei Lager.«
    Col nickte. Ob absichtlich oder nicht, die Swolotschi hatten einen Keil zwischen die imperialistischen Truppen getrieben. Die Lautsprecherstimmen der Generäle aus dem Kommandoturm schmetterten Befehle über den Platz, um die Gefahr abzuwenden. Blau-, grau-, grün- und rotuniformierte Truppen manövrierten hin und her und standen sich gegenseitig im Weg. Das

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