Liberator
Kriegsglück hatte sich zugunsten der Revolutionäre gewendet.
Col ließ seinen Blick über das ganze Areal wandern. Auf der einen Seite stand noch die dicke gelbe Gaswolke in der Luft, die er selbst freigesetzt hatte; die imperialistischen Truppen hatten dieses Gebiet vollständig aufgegeben. Auf der anderen Seite lag der Liberator und sah noch mitgenommener aus als zuvor. Offenbar hatten die Lichtbomben dort, wo sie eingeschlagen waren, das Eisen des Juggernaut zum Schmelzen gebracht. Sein Rumpf war rußgeschwärzt und von Narben übersät. Die Transportschaufeln aber waren zum größten Teil noch intakt; nur zwei von ihnen baumelten abgeknickt an ihren Drahtseilen herunter.
Als er spürte, wie Riff die Luft anhielt, wandte Col seine Aufmerksamkeit wieder den Swolotschi zu. Die Generäle hatten eine neue Waffe in die Schlacht geworfen; diesmal kam sie vom türkischen Juggernaut. Der Gegenangriff hatte begonnen.
»Was ist das?« – »Keine Ahnung.«
»Kavallerie?« – »Aber das sind doch keine Pferde!«
»Nee. Hunde. Monsterhunde.«
»Und wo sind die Reiter?«
Die Hunde näherten sich mit Riesensätzen: Wolfshunde mit mächtigen Kiefern. Breite Stoffbahnen waren wie Sättel um Brustkorb und Rücken gegürtet, aber niemand saß im Sattel. Erst nach einigen Augenblicken begriff Col, dass die Reiter nicht auf, sondern unter den Hunden ritten. Sie waren an deren Bäuche geschnallt; man konnte ihre behelmten Köpfe zwischen den wie Kolben arbeitenden Vorderbeinen der Riesentiere gerade noch erkennen. An ihrer Seite trugen sie seltsame langläufige Waffen.
Welcher Art diese Waffen waren, blieb nicht lange ein Geheimnis, denn während die Hunde weiter auf die Swolotschi zurannten, wurden zwischen ihren Vorderbeinen Raketen abgefeuert. Die Swolotschi hatten keine Antwort auf diese Art des Angriffs parat. Zuerst hatten die Raketen ihre Reihen gelichtet, nun taten es die Hunde. Sie bissen um sich, und weißer Schaum flog von ihren Lefzen.
Die Swolotschi wankten, aber sie gaben nicht auf, sondern wehrten sich unverdrossen. Sie mussten russischen Soldaten ihre Waffen abgenommen haben, denn sie waren fast alle bewaffnet. Das Singen hörte auf, die Swolotschi schlossen die Reihen.
»Ja! Weiter! Nicht stehenbleiben«, feuerte Riff sie an. Aber ihr Vormarsch war zum Erliegen gekommen, und sie waren in der Defensive. Ihr einziger Schutz waren die Wolfshunde, die sie erschossen hatten; sie kauerten sich hinter die zotteligen Leiber und zielten über sie hinweg.
Plötzlich setzte das Geschmetter der Lautsprecher wieder ein. Neue Waffen wurden in Stellung gebracht, frische Truppen marschierten auf anderen Teilen des Terrains auf. Da die Swolotschi einen Überraschungsangriff unmöglich gemacht hatten, kehrten die Generäle zu ihrer ursprünglichen Strategie zurück. Jetzt waren wieder Belagerungstaktiken gefragt. Und damit kamen die silber-schwarzen Radfahrzeuge zum Zug. Sie waren inzwischen an der Frontlinie vor dem Niemandsland um den Liberator postiert; hinter ihnen hatten sich die grünuniformierten Soldaten mit den igelartigen Waffen aufgestellt.
Bestimmt zweihundert Fahrzeuge bildeten die erste Angriffswelle.
Col konnte die Fahrer von seinem Platz aus nicht sehen, aber er stellte sich vor, wie sie in die Pedalen traten und dabei flach auf dem Rücken in ihren Vehikeln lagen. In Halbmondformation bewegten sie sich vorwärts wie ein Schwarm von zweihundert Käfern. Die Verteidiger, die aus den Transportschaufeln und Bullaugen des Liberator schossen, brachten mit ihren Treffern vielleicht zwanzig der Fahrzeuge zum Stehen, aber das reichte bei weitem nicht. Der Schwarm teilte sich auf, um an den fahruntüchtigen Vehikeln vorbeizukommen, dann schlossen sich die Reihen wieder.
»Wir sind einfach in der Unterzahl«, murmelte Col.
Jetzt hatte der Schwarm die Walzen des Liberator erreicht und geriet kurzzeitig außer Sicht. Als er wieder auftauchte, waren alle Fahrzeuge kleiner und kürzer. Sie hatten ihre torpedoförmigen Schnauzen zurückgelassen! Jetzt rasten sie wie wahnsinnig davon, nicht mehr in Formation, sondern in aufgelöster Panik. Die Verteidiger schossen noch immer von den Transportschaufeln und aus den Bullaugen, aber die schreckliche Wirkung der Torpedos konnten sie nicht verhindern.
Kawummm ! Kawummm ! Kawummm ! Kawummm !
Eine Reihe gedämpfter Explosionen ließ den unteren Teil des Juggernaut erbeben, ebenso den Erdboden des Aufmarschgeländes, selbst das Messingrohr bebte. Als das Beben nachließ, lag
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