Liberator
der Liberator tiefer auf der Erde als zuvor; er lag da wie ein alter müder Hund. Der untere Teil seines Rumpfes hatte riesige Wellen geworfen, die Walzen waren vollständig verschwunden, der gesamte Juggernaut hatte sich zur Seite geneigt, und zwei weitere Schornsteine waren umgestürzt.
Für Col fühlte es sich an wie ein Schlag gegen seinen eigenen Körper. Aber noch stehen wir, sagte er sich.
Und schon erfolgte die zweite Angriffswelle, denn während die Radfahrzeuge sich wieder in die imperialistischen Truppenverbände einreihten, hatten sich die Grünuniformierten mit ihren igelartigen Waffen in Bewegung gesetzt. Und wieder zeigten sich Gewehrmündungen auf dem Liberator . Der Juggernaut mochte ja am Ende sein, aber seine Verteidiger dachten gar nicht daran, aufzugeben.
Die Grünuniformierten blieben etwa in der Mitte des Niemandslandes vor dem Liberator stehen und setzten ihre Igel vor sich auf den Boden; dann zogen sie schnell und kräftig an einer Art Leine. Schließlich traten sie zurück – und die Igel setzten sich selbständig in Bewegung.
»Was is das denn?«, hörte Col Riff leise ausrufen.
»Noch mehr Bomben?«, schlug er vor.
»Glaub ich nicht.«
Auf ihrem Weg Richtung Liberator traten aus den Igeln graue Rauchwolken aus. Bald hatte sich der Rauch so verdichtet, dass er zu einer undurchlässigen Nebelwand wurde. Schon verschwanden große Teile des Liberator hinter dieser Wand – und umgekehrt wurden die imperialistischen Truppen für seine Verteidiger unsichtbar.
Schmetternde Lautsprecherbefehle erklangen. Die Front bewegte sich vorwärts und blieb dabei immer ungefähr hundert Schritte hinter den Igeln. Weiter hinten stellten sich nun Soldaten auf, die Leiterteile trugen – viele Leiterteile, aus denen sich lange Leitern zusammensetzen ließen.
»Aua!« Riff war auf Cols Hand getreten.
»Runter!« Ihr Ton war drängend.
»Beweg dich!« – »Ich …«
»Los! Ich habe einen Plan.«
Er stieg die Krampen hinab, so schnell er konnte.
»Wir kämpfen?«, fragte Col.
Riff gab keine Antwort, aber das war auch nicht notwendig. Da alles fehlgeschlagen war, blieb ihnen nichts übrig, als zu ihrem ursprünglichen Plan zurückzukehren.
Greifen wir also den Kommandoturm an, dachte Col. Was soll’s, ich habe ohnehin nie erwartet, dies zu überleben.
76
»Wir fahren zum Kommandoturm«, erklärte Riff ihren Plan. Sie zeigte mit dem Daumen auf den Tieflader und die Zugmaschine vor dem Unterstand. »Wir fahren damit einfach zwischen den Soldaten durch.«
Alle blickten ratlos. »Aber wie? Wer soll das Ding denn fahren?«
»Wir zwingen den Fahrer, uns hinzubringen.«
»Also …«, Dunga legte ihre Stirn in Falten, »wir wagen uns ins offene Gelände?«
»Es hilft nix mehr, sich zu verstecken.«
»Die werden den Turm aber stark bewachen«, merkte Jarvey skeptisch an.
Riff grinste. »Ja, aber wir müssen uns da auch nicht reinkämpfen. Wir jagen ihn einfach in die Luft.«
Alle sahen sie völlig entgeistert an. Col begriff nach einer Weile als erster. »Die Munition«, sagte er. »Die Lichtbomben.«
»Genau. Wir haben doch gesehen, was sie dem Liberator angetan haben. Wir haben zwei große Glaskolben voll mit ihnen. Wenn wir den Tieflader einfach in den Turm krachen lassen …«
»Du meinst, die explodieren beim Aufprall?«
»Ja, warum stehen sie denn wohl sonst in Stroh? Ich denke, die gehen rumms ! in die Luft!«
»Und wir haben natürlich Masse genug Zeit, vorher abzuspringen«, bemerkte Cree.
Die anderen gafften sie an, bis sie verstanden, dass das ironisch gemeint war. Ihre Chance, mit dem Leben davonzukommen, war gleich null. Vermutlich würden sie nicht einmal bis zum Turm kommen, sondern schon vorher niedergeschossen werden.
»Also, worauf warten wir eigentlich noch?«, fragte Dunga und drehte sich auf dem Absatz um.
Sie mussten jetzt handeln, jetzt, bevor die Angst sie verunsichern konnte. Sie rannten an den drei gefesselten Männern im Unterstand vorbei und traten ins Freie. Dunga war die erste, gefolgt von Col. Der Fahrer saß noch immer im Führerstand der Zugmaschine. Es war ein pockennarbiger mittelalter Mann, der keine Uniform trug. Er saß dösend auf seinem kleinen erhöhten Sitz und wartete auf neue Befehle. Und nun erhielt er sie – allerdings von anderen, als er erwartet hatte. Dunga drückte die Mündung ihres Gewehrs unter sein Ohr, und Col hielt seinen Degen gegen den Hals des Mannes.
»Fahr!«, zischte Dunga durch zusammengebissene Zähne und zeigte nach
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