Liberator

Titel: Liberator Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Harland

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Col. Ich habe den Weg gefunden, über den die Dreckigen nach Oben kommen konnten. Ich habe die Entscheidung getroffen. Er erwartete von Riff, dass sie nun die Rolle schildern würde, die er gespielt hatte, aber nichts geschah. Es war, als sei seine Rolle aus der Geschichte gestrichen worden.
    »Ich wär so gern an deiner Seite gewesen, als du den Tyrannen gestürzt hast.« Lyes Stimme hatte einen tiefen heiseren Ton angenommen, und ihre Augen glühten vor Begeisterung.
    Col hielt es nicht mehr aus. »Wieso warst du denn nicht dabei?«
    Lye ignorierte seine Frage und sprach einfach weiter – bis Riff die Frage wiederholte: »Wieso warst du denn nicht dabei, Lye?«
    »Ich hab getan, was ich konnte.« Lye sprach nur zu Riff. »Es war nicht leicht für mich. Ich habe einen ihrer Offiziere getötet.«
    »Was war nicht leicht für dich?«, fragte Riff.
    Auf Lyes Wangenknochen zeigten sich zwei weiße Flecke. »Das möchte ich dir ein anderes Mal erzählen.«
    Col wusste, dass er einen kleinen Sieg errungen hatte. Sie wollte nicht vor ihm sprechen – damit hatte sie bewiesen, dass sie zumindest seine Anwesenheit zur Kenntnis genommen hatte.
    Plötzlich war ein anschwellender Ton von unten zu hören – von den Dreckigen in den Strickleitern und Netzen. Es war der Ton Hunderter von Stimmen, die in Jubelrufe ausgebrochen waren. Der Juggernaut hatte sich auf den Weg gemacht. Kleine weiße Wellen kräuselten sich um den Schiffsrumpf.
    BRAHH-AHH-AHH !
    Ein mächtiger Lärm schreckte sie auf. Sie hielten sich die Ohren zu und wirbelten herum. Der Juggernaut ließ sein Horn ertönen: eine trompetenförmige Sirene, die am vordersten Schornstein angebracht war.
    BRAHH-AHH-AHH !
    Es hörte und hörte nicht auf! Riff brach in haltloses Lachen aus, mit zugehaltenen Ohren tanzte sie über das Deck. Lye ließ sich erstaunlicherweise davon anstecken, denn auch sie begann zu lachen. Col hätte nie gedacht, dass Lye irgendeinen Sinn für Humor haben könnte. Ihr perfekt geschnittenes Gesicht schien plötzlich zu strahlen. Als ob sie vorhätte, Riff in Sachen Humor zu übertreffen. Col traute sich nicht, mitzulachen. Er fühlte sich irgendwie ausgeschlossen. Er verstand den Witz nicht.
    Der Juggernaut drehte einige Grad nach Backbord, dann nahm er seinen Kurs auf. Obgleich sie kaum spürten, dass sich das Schiff bewegte, setzte eine heftige Brise ein, die ihnen die Wangen rötete und das Haar zerzauste. Schon bald lagen die Boote der Einheimischen hinter ihnen, und die Transportschaufeln, die nun die Höhe der Kräne erreicht hatten, verschwanden in den Seiten des Juggernaut.
    Endlich verstummte das Horn. Col wollte irgendetwas sagen, verzweifelt suchte er nach etwas, das ihn mit den anderen beiden wieder zusammenbrachte. Er riss die Arme in die Höhe und brüllte: »Auf nach Botany Bay!« Sein Ausruf klang jedoch selbst in seinen eigenen Ohren wenig überzeugend. Er hörte sich steif an und wichtigtuerisch. So konnte nur ein Protzer sprechen.
    Lye flüsterte etwas in Riffs Ohr, und Riff brach in lautes Gelächter aus. Col war klar, dass Lye sich über ihn lustig gemacht hatte. Auch Lye lachte laut. Jetzt fühlte er sich endgültig ausgeschlossen. Schweigend stand er da und betrachte die beiden, die sich auf seine Kosten amüsierten.
    Nach einer Weile hatte Riff ein Einsehen und sagte: »Komm, is okay. War nix wirklich Schlimmes.«
    »Wollen wir los?«, wandte sich Lye daraufhin an Riff.
    Riff nickte und drehte sich zu Col. »Du solltest dich auf den Weg zu Victoria und Albert machen. Erklär ihnen genau, was sie zu tun haben, wenn wir die Kohlestation erreichen.«
    Col sah ihnen nach, wie sie Seite an Seite davongingen. Lye schien wieder zu schweben, als ginge sie auf Stelzen.
    Oh, wie ich dich hasse, dachte Col. Ich hasse dich mindestens so sehr wie du mich!
    Sie hatten den Gefechtsturm erreicht, die Tür schlug hinter ihnen zu. Ein Bleiklumpen schien sich in Cols Magengrube eingenistet zu haben. Ihm fielen Riffs Worte wieder ein: Du musst mir einfach ein bisschen mehr vertrauen . Doch selbst wenn er ihr vertraute, konnte er der Situation kein Vertrauen entgegenbringen. Und ganz gewiss nicht Lye. Sie schien Riff nun näher zu stehen, und als Ratsmitglied hatte sie jederzeit Zugang zu ihr und konnte sie beeinflussen. Er war sich sicher, dass Lye aus dieser Situation möglichst viel herausschlagen würde. Außerdem war seine Feindin auf eine Weise sozial anerkannt, die er nicht erreichen konnte.
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    Weder an diesem noch am nächsten Tag